Nach der Erleuchtung

Vom Opfer zum Beobachter

Eine große Eule

Am Morgen nach meiner Erleuchtungserfahrung bin ich wieder in meinem altbekannten Bewusstsein aufgewacht. Jedenfalls kam es mir erstmal so vor: Ich fühlte mich wieder „ganz normal“. Aber in Wahrheit hatte mich dieses Erlebnis tief erschüttert und erst heute kann ich deutlich sehen, wie es mich verändert hat.

 

Der größte Unterschied lag wohl darin, dass es mir danach nicht mehr dauerhaft möglich war, mich als Opfer zu sehen. Und das klingt erstmal positiv, aber ich fühlte mich damit nicht gerade besser. Ja, ich kann ganz klar sagen, dass das Leben bequemer ist, wenn man in schwierigen Situationen daran glauben kann, das unschuldige Opfer zu sein, denn schwierige Situationen ließen nicht auf sich warten. Dabei fand ich mein Leben schon seit vielen Jahren extrem anstrengend: Wegen meinen chronischen Schmerzen hatte ich mich fast völlig von der Welt zurückgezogen und sie zwangen mich, mir innerlich alles anzuschauen, was nicht im Gleichgewicht war und mich blockierte. Aber dann, nach meinem Erleuchtungserlebnis, fühlte ich mich mit noch viel größeren Herausforderungen konfrontiert. Ja, die zwölf Jahre seitdem waren für mich eine endlose Reihe von Lebenserfahrungen, die ich währenddessen alle ganz schrecklich fand. Was? – fragst du dich jetzt bestimmt. Als erleuchteter Mensch? Ja, ganz genau so habe ich es erlebt – was war denn da los?

 

Das hatte ich mich anfangs selbst auch gefragt. Denn obwohl dieser überwache und glasklare Zustand am nächsten Morgen verflogen war, hätte ich eher damit gerechnet, dass dieses erhebende Erlebnis irgendwie mein gesamtes Leben auf ein höheres Niveau hieven würde. Aber das passierte nicht wirklich. Und trotzdem war alles richtig. Absolut perfekt auf mich abgestimmt…

 

Ich geriet in eine Menge Konflikte mit anderen Menschen. Und weil ich mich nicht mehr als Opfer betrachten konnte, fragte ich mich bald, ob vielleicht meine Selbstwahrnehmung stark gestört war: Steckte ich in Wahrheit voller Selbsthass? Oder warum sonst sollte ich mich mit einem fiesen Mitmenschen nach dem nächsten selbst quälen? Ich verbrachte eine Menge Zeit damit, mich innerlich nach solchen Überzeugungen abzusuchen, aber ich fand nichts und es dauerte sehr, sehr lange, bis mir klar wurde, dass ich noch gar nicht richtig verstanden hatte, wie meine Energie eigentlich arbeitet.

 

Meine Energie gehört nur mir und absolut alles in meiner Welt besteht aus ihr. Sie ist ununterbrochen nur auf mich ausgerichtet und sie hat nur eins im Sinn: mir zu dienen. Sie tut niemals etwas anderes. Jeden Tag, jede Sekunde dient sie mir. Sie kann nichts anderes, denn das ist ihre Natur und ihr einziger Sinn und Zweck. Dabei sieht es auf den ersten Blick manchmal nach dem genauen Gegenteil aus. Zum Beispiel, wenn da eine richtig gemeine Vermieterin in meinem Leben auftaucht und mich fertig macht. Das wirkt dann im ersten Moment wie ein Fehler, aber in Wahrheit dient mir auch diese Begegnung perfekt. Und wenn ich mir wirklich vertraue – und damit auch meiner Energie – dann kann ich mich auf alles einlassen, was in meinem Leben auftaucht.

 

Diese Erkenntnis war der entscheidende Wendepunkt für mich. Im Rückblick empfinde ich sogar die Geschenke, die daraufhin in mein Leben kamen, als noch viel, viel kostbarer als das ursprüngliche Erleuchtungserlebnis. Und es dauerte zwar noch etwas, bis ich mich wirklich traute – anfangs war ich noch sehr ängstlich. Aber mit der Zeit ließ ich immer mutiger zu, dass meine Energie mit mir machte, was sie für richtig hielt. Praktisch sah das so aus, dass ich allen Widerstand aufgab: Ich ließ mir Drachen, Dämonen und Monster vor die Füße setzen und kämpfte nicht mehr dagegen an. Ich ließ zu, dass sie kamen und mich plattmachten, zerfetzten oder auffraßen. Ich widersetzte mich nicht mehr und ich hinterfragte solche Erfahrungen nicht mehr. Sondern mit jeder einzelnen vertraute ich mehr darauf, dass sie das Beste für mich waren – auch wenn ich erst viel später verstehen würde, was das alles sollte.

 

Immer häufiger machte ich nur noch eins: Ich blieb wach und beobachtete. Ich beobachtete, was die Erfahrungen, die meine Energie mir lieferte, mit mir machten. Wenn sie mich traurig machten, beobachtete ich mich beim Traurigsein. Wenn sie mich wütend machten, beobachtete ich mich beim Wütendsein. Wenn sie mir Angst machten, beobachtete ich mich beim Ängstlichsein. Und es war kein nüchternes, distanziertes Beobachten, sondern während ich mich ganz in diesen Gefühlen ertrinken ließ, blieb ich gleichzeitig ganz still, aber mitfühlend an meiner Seite. In nichts griff ich mehr aktiv ein, sondern ich ließ stattdessen alles zu, was von allein in mir geschehen wollte.

 

Ich weiß, dass das eine sehr ungewöhnliche Art ist, mit Problemen umzugehen. Aber sie entpuppte sich als ein unbeschreiblicher Segen. Denn alles änderte sich durch mein zugewandtes, wertfreies Beobachten. Jede noch so aussichtslose Situation löste sich dadurch auf magische Art auf. Denn jetzt verwandelte ich selbst mich erst wirklich: In jedem einzelnen Konflikt konnte ich früher oder später den Moment beobachten, in dem ich mich veränderte. In dem ich wuchs und mich befreite und entfaltete. In dem wirklich erst ich, wie ich wirklich bin, zum Vorschein kam. So dass ich Stück für Stück zu der Mareike wurde, die ich jetzt endlich sein kann: Die Mareike, die sich traut, ihre kostbarsten Gaben mit der Welt zu teilen. Weil die Angst, die mich davon abgehalten hatte, genügend geschmolzen ist – diese lähmende Angst, dass mein wunderschönes Wissen beschmutzt oder beschädigt werden könnte.

 

Dieses wertfreie Beobachten, das ich einfach „das Zulassen“ nenne, ist mit der Zeit die wichtigste Botschaft geworden, die ich in meinen Coachings für meine Klienten habe. Ich werde bestimmt noch viel mehr davon erzählen. 

   

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Benjamin (Donnerstag, 15 Juni 2023 16:23)

    Danke Mareike,
    Du sprichst wahr und ich habe gerade auch meine Dämonen, die immer wieder anklopfen, damit sie sich irgendwann in der liebevollen Umarmung des wahren und einzigen ich auflösen können. Ich spüre eine Verbindung oder dass wir im Grunde eins sind. Ich liebäugelte mit einem Coaching, aber weiß, dass ich nur loslassen und vertrauen muss, um zu dem zu werden, der ich bin. Welch eine Freude, dass du deinen Weg teilst und all den Fingerkuppen deiner Hand ihre wahre Natur offenbarst. Danke.

  • #2

    Mareike (Donnerstag, 15 Juni 2023 16:30)

    Lieber Benjamin,
    ach Mensch, das hast du aber schön gesagt, das mit den Fingerkuppen... Da sehe ich mich selbst gleich nochmal ganz anders - Dankeschön! Und ja, du brauchst nur einfach alles zulassen, vor allem auch die Gefühle, die deine Drachen in dir zum Vorschein bringen. Dann lösen sie sich auf und nur noch dein wirkliches Ich bleibt übrig. Alles Liebe und Gute dir - und melde dich einfach, wenn du doch mit mir sprechen möchtest, ich helfe dir gerne!

  • #3

    Martin (Donnerstag, 13 Juli 2023 17:50)

    Hi Mareike. Danke für diesen wertvollen Beitrag und es ist voll schön und hilfreich wie du das Erfahrene beschreibst. Alles Liebe. Martin

  • #4

    Mareike (Donnerstag, 13 Juli 2023 18:00)

    Lieber Martin, danke für dieses schöne Feedback und alles Liebe zurück zu dir!