Rasenmäher-Liebe

Beseelte Welt

ein roter Rasenmäher

Meine Welt ist eine beseelte Welt. Die Bereiche unserer Welt, in denen nur ich ganz allein bin, sind voller Lebendigkeit: Mein Laptop hält den Atem an, wenn ich kurz aufhöre zu tippen, um nachzudenken – es will mich nicht stören. Und wenn ich weitertippe, ist es überglücklich, für mich zu funktionieren. Mein Milchkaffee steht da morgens ganz glücklich für mich auf dem Frühstückstisch, denn er weiß, wie sehr ich mich auf ihn freue. Wenn ich nach einer Ewigkeit mal wieder in mein Auto steige, umhüllt es mich und lacht vor Freude: „Mareike! Da bist du ja endlich wieder! Ja, lass uns losfahren!“ Und mein Fahrrad, die Gazelle, liebt es, mich zu meiner Musik auf den Ohren durch die Gegend zu flitzen. Aber meiner Erfahrung nach gibt es in unserer Realität nichts, worin sich unsere Energie klarer ausdrückt, als in unseren Haustieren. Mein Kater Timmi war auch so ein Liebling. Und sein Wesen ganz einzigartig – er war so lustig!

 

Einmal, im Sommer, musste er mir noch vor Sonnenaufgang unbedingt was erzählen, so dass ich von seinem lauten Miauen aufgewacht bin. Als ich hochschreckte, stand er ganz aufgeregt oben auf meiner hohen Fensterbank: Er war zum ersten Mal durchs Fenster ins Haus gesprungen. Oder eher geflogen, das Fenster lag nämlich wirklich sehr hoch und noch dazu musste er mit seinem Sprung mein buschiges Blumenbeet überwinden. Und jetzt stand er da oben und rief mir aufgeregt zu: „Miau, Mareike! Hast du das gesehen?! Ich bin vom Garten direkt hier in dein Zimmer gesprungen! Miau! Das war richtig, richtig hoch und richtig, richtig weit! Guck mal, ich bin hier driiinneeen! Mareike?! Miau?! Hast du das mitgekriegt?! Haaalllooo! Miaaahau!“ Uuh… ja, es war ja nicht zu überhören… Ich war noch viel zu müde, aber dieser kleine Schreihals da oben war einfach zu niedlich.

 

Oder an einem anderen, verregneten Morgen wollte ich doch ausnahmsweise mal mit ihm schimpfen. Da kam ich mit meinem Milchkaffee ins Wohnzimmer und sofort fielen mir vier dunkle, runde Flecken auf meinem hellen Wollteppich ins Auge, perfekt in einem Rechteck angeordnet. Ein Stück weiter auf dem Sofa lag Timmi und schleckte sich seinen klitschnassen Pelz trocken – sehr verdächtig: „Timmi! Warst du das?! Ich kenne hier jedenfalls sonst keinen, der solche Füße hat!“ Da guckte er mich nur mit großen Augen an und fing laut an zu schnurren: „Ich hab keine Ahnung, was du da sagst, aber dabei siehst du soo schön aus, dass ich einfach nur überglücklich bin, dass ich dein Kater bin!“ – Also wenn du ein Haustier hast, dann hast du einen lebendigen Beweis dafür, wie sehr deine Energie dich liebt. 

 

In Wahrheit ist alles in unserer Realität lebendig und voller Liebe und Freude für uns. Aber wie kommt es dann, dass ich die Welt oft ganz anders erlebe? So dass ich sie nur noch kalt und lieblos finde? Das liegt daran, dass ich diese besondere Art der Wahrnehmung leider nicht mit einem Schalter ein- und ausschalten kann. Sondern es erscheint mir eher wie ein Wunder, dass ich überhaupt immer wieder in mein Seelenbewusstsein zurückfinde – obwohl rund um mich herum fast der gesamte Rest der Welt die Dinge noch auf die übliche, alte Art sieht. Aber selbst dann, wenn ich so verwirrt und unglücklich bin und mich ganz dumm und unerleuchtet fühle, ist da die ganze Zeit ein absolutes Vertrauen in mir, dass trotzdem alles völlig richtig so ist. Dieses Vertrauen ist so tief, dass ich genauso wie die guten auch die dunklen Momente hundertprozentig mitnehmen möchte, weil ich weiß, dass am Ende auch sie alle liebevolle Geschenke meiner Energie sind. Denn genau dort mittendrin – mitten in meiner Dunkelheit – stoße ich ja jedes Mal auf ein Stück mehr von meinem seelischen Ich. Und das ist auch der Grund dafür, warum ich das alles hier erzählen möchte und nicht nur das Schöne: Um anderen, denen es ähnlich geht, zu zeigen, wie ich wieder zu mir gefunden habe. Und genau so eine Erfahrung möchte ich jetzt beschreiben: Es ist die Geschichte von meinem wundervollen Rasenmäher.

 

Ich wohnte also in diesem Häuschen mit dem riesigen Garten. Als ich eingezogen war, hatte ein Nachbar mir angeboten, seinen Rasenmäher mitzubenutzen. Gleich im ersten Sommer ging der mir kaputt. Ich kaufte einen neuen, der ein Jahr hielt. Danach kauften wir zusammen noch bestimmt drei oder vier Rasenmäher, von denen keiner länger als ein oder zwei Jahre lief. Sie wirkten sehr billig produziert, fast alles daran war aus Plastik. Die Rasenfläche war zwar insgesamt ziemlich groß, aber wir mähten auch nur vielleicht einmal im Monat.

 

Als unser letzter gemeinsamer Mäher kaputtging, besorgten mein Nachbar und ich uns jeder einen eigenen. Meiner war zum ersten Mal kein Elektro-, sondern ein Benzin-Rasenmäher. Mein letzter Freund, Bernd, hatte ihn mir sozusagen als Abschiedsgeschenk überlassen, denn kurz darauf endete unsere Beziehung. Der Rasenmäher war bestimmt schon zehn Jahre alt – aber ich liebte ihn von Anfang an! Gleich als Erstes putzte ich ihn blitzeblank und ich kaufte ihm neues Öl und einen Schleifaufsatz für meine Bohrmaschine, damit ich die Klinge selbst schärfen konnte – das hatte Bernd mir noch gezeigt. Und auf ein Loch im Fangkorb, vielleicht so groß wie eine Walnuss, nähte ich ganz sorgfältig runde Flicken – von außen und von innen!

 

Der Rasenmäher machte einen unglaublichen Krach und im ersten Moment war mir das richtig peinlich. Aber dann fand ich es eigentlich doch ganz passend: Denn jetzt musste ich laut sein und das machte es mir unmöglich, mich weiter nur zu verstecken – obwohl mir so oft danach war, fühlte es sich verkehrt an. Wenn ich jetzt also mähte, dann wusste ab sofort die ganze Straße: Mareike ist am Rasenmähen. Außerdem stank der Rasenmäher wie ein alter Traktor und beim Mähen hüllte er mich die ganze Zeit in eine dicke Rauchwolke ein. Aber das alles störte mich überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich freute mich: Aaah, das ist endlich mal ein richtiger Rasenmäher und nicht wieder so ein billiges Elektroding! Ich war einfach nur froh, dass die Tage der schrottigen Plastikmäher vorbei waren. Also mähte ich ein paar Mal ganz glücklich meinen großen Garten. Bis eines Tages – oje, du kannst es dir bestimmt schon denken – der Mäher plötzlich ausging und keinen Mucks mehr machte. Er wollte einfach nicht mehr anspringen.

 

Kannst du dir vorstellen, wie frustrierend das für mich war? Ich war doch so sicher gewesen, dass dieser ganze Rasenmäher-Ärger endlich hinter mir lag – und jetzt das, oh nein! Bernd wollte ich auch nicht mehr fragen, was los sein könnte und ich selbst hatte überhaupt keine Ahnung von Rasenmähern, egal ob elektrisch oder Benzin. Ich wurde plötzlich todmüde und dachte: Wie kann das Leben nur so unfassbar anstrengend sein??!! Auf nichts kann man sich verlassen. Selbst wenn ich den Rasenmäher jetzt in eine Werkstatt bringe, kann er doch gleich beim nächsten Mal wieder kaputt gehen. Ich hatte schon längst viel mehr Zeit mit kaputten Rasenmähern verbracht, als ich ertragen konnte. Noch dazu würde ich wahrscheinlich gar nicht mehr lange hier wohnen, so dass ich vielleicht nur noch für diesen Sommer einen Rasenmäher bräuchte – sollte ich mir nur dafür noch einen neuen kaufen? Einen aus Plastik?! Wie immer reagierte mein Körper sofort mit schrecklichen Schmerzen auf diesen Stress. Alles in mir schrie NEIN!!! Ich wollte mich nur noch in mein Bett verkriechen und nie wieder aufstehen – vielleicht wäre es doch wirklich das Beste, endlich aus diesem viel zu anstrengenden Leben zu verschwinden?

 

So lag ich lange Zeit nur da, mit meinen Schmerzen – frustriert, deprimiert, erschöpft und völlig unfähig, mich zu bewegen. Irgendwann döste ich schon halb weg. Aber dann ließ mich plötzlich ein Gedanke aufhorchen. Mir fiel etwas ein. Ich erinnerte mich an eine Geschichte, die ich vor einiger Zeit gelesen hatte, es war ein Erfahrungsbericht. Darin erzählte ein junger Mann, wie er einen verstaubten Oldtimer restauriert hatte. Ohne dass er irgendwelche Ahnung von Kfz-Technik hatte, hatte er das Auto tipptopp wieder hergerichtet. Das hatte er hingekriegt, indem er mit dem Auto selbst kommunizierte. Natürlich nicht durch hörbare Stimmen, sondern in Form von Energie: Das Auto selbst hatte ihm immer wieder erklärt, was es als Nächstes brauchte und auf diese Art hatte es ihm Schritt für Schritt gezeigt, wie er es reparieren konnte. Als mir diese Geschichte plötzlich in den Sinn kam, wusste ich sofort: Das muss ich doch auch können! Ich weiß doch, dass meine Energie sowieso ständig mit mir spricht! Also wurde ich still und wandte mich innerlich meinem geliebten Rasenmäher zu. Das Erste, was ich von ihm wissen wollte, war, ob ich vielleicht doch falsch lag und er inzwischen einfach viel zu alt war – ich wollte wissen, ob unsere gemeinsame Zeit schon abgelaufen war.

 

Es war so magisch: Die Antwort kam sofort – und sie klang so niedlich! Mein Rasenmäher war ein richtig fröhliches Kerlchen: „NEIN! Bist du verrückt?!“ rief er, „Auf gar keinen Fall ist unsere Zeit schon vorbei, noch lange nicht! Ich will bei dir sein und für dich arbeiten! Du hast mich doch so schön rausgeputzt und ich mag es so, dass du mich so sehr magst!“ Wow! Was für eine berührende Erfahrung! Ich atmete unendlich erleichtert auf – sofort hatte ich wieder Hoffnung, dass doch noch alles irgendwie in Ordnung kommen könnte. Also fragte ich weiter: „Aber warum funktionierst du nicht mehr? Was soll ich machen? Was brauchst du?“ Und dann ploppte nur ein einziges Wort ganz schrill in mir auf. Es war so klar und deutlich, dass ich vor Schreck zusammenzuckte:

 

ZÜNDKERZE

 

Bernd hatte mir ganz kurz den Rasenmäher erklärt, deshalb wusste ich immerhin, dass sowas wie eine Zündkerze überhaupt existierte. Auch wo sie saß und wie man sie sauber machte. Also kaufte ich mir einen Zündkerzenschlüssel, schraubte die Zündkerze raus und sah, dass an ihrer Spitze lauter schwarzes Zeug klebte. Ich schrubbte sie mit einer Drahtbürste sauber, schraubte sie wieder rein und... mein Rasenmäher sprang an und röhrte voller Kraft los mit seinem ohrenbetäubenden Geknatter!!!

 

Ich war so überglücklich! Und ich fühlte mich nach dieser Erfahrung so viel besser gerüstet für mein Leben! Jetzt wusste ich, dass ich viel mehr Probleme lösen konnte als bisher und nicht mehr wegen jedem Pups einen Experten finden und bezahlen musste. Jetzt war mir klar, dass ich auf diese Art mit allem in meiner Welt direkt kommunizieren konnte – was für eine unglaubliche Bereicherung!

 

Später erfuhr ich sogar noch, warum die Zündkerze überhaupt so verrußt war: Der Motor lief manchmal sehr ungleichmäßig. Dann klang er so, als ob er gleich absterben würde – aber im nächsten Moment funktionierte er dann doch wieder ganz normal. Immer genau dann, wenn er so schwächelte, blieb dieses schwarze Zeug an der Zündkerze kleben. Mein geliebter Rasenmäher erklärte mir höchstpersönlich in unserer neuen Geheimsprache, dass das Problem unglaublich banal war: Wenn der Tank nicht ganz voll war, konnte der Motor manchmal kein Benzin ziehen, wenn der Mäher schräg stand. Aber er stand fast immer schräg, weil das Grundstück nämlich an einem Hang am Waldrand lag und der Boden ziemlich hoppelig war. Ich brauchte also nur darauf achten, dass der Tank immer mindestens halb voll blieb – und das Problem tauchte nie wieder auf.

 

Diese Geschichte – meine Rasenmäher-Lovestory – erzähle ich dir, um dir zu zeigen: Deine Energie ist überall. Alles besteht aus ihr – jeder Baum, jedes Blatt, jeder Tisch, jeder Ziegelstein, sogar jeder Rasenmäher. Sie hat kein Gesicht, das du mit deinen Augen sehen kannst, aber du kannst fühlen, dass all diese Sachen lebendige Wesen sind. Und zwar keine Wesen, die getrennt von dir sind, sondern sie alle zusammen sind das Wesen, das du selbst bist. Sobald du dich daran erinnerst, wird es ganz natürlich für dich, mit deiner Energie zu sprechen. Und dann wird dir auch klar werden, dass sie immer dein Freund war und nie dein Gegner.

   

 

Nächster Blogartikel ➔

Kommentar schreiben

Kommentare: 0