Mein Liebesleben – Teil 3

Noch mehr Intimität

Wassertropfen

Den nächsten Abschnitt meines Liebeslebens werde ich ein bisschen abändern, um Persönlichkeitsrechte zu wahren. Ich lasse ihn also wieder in meinem erfunden Dorf Flonnwalde spielen.

 

Dort entschied sich irgendwann die Eigentümerin meines Grundstücks, es zu verkaufen. Das wäre nicht gleich am nächsten Tag soweit, aber sie wollte nun anfangen, sich nach einem Käufer umzuschauen.

 

Im ersten Moment war ich geschockt. Aber gleich im nächsten spürte ich mich aufatmen: So wunderschön und idyllisch dieses Zuhause auch war – es war in einem grottenschlechten Zustand. Seit einem halben Jahrhundert war hier nur das Allerallernötigste gemacht worden. Diese Tatsache hatte schon hier und da angefangen, mich zu nerven und auf einmal war klar: Es wird etwas Neues kommen, denn nun muss etwas Neues kommen.

 

Meine Vermieterin hatte einen hohen Preis angesetzt und es zeigten sich nur wenige Interessenten. Dann einmal wollte der Makler mit jemandem vorbeikommen und ich hatte angeboten, ihnen alles zu zeigen – mein Häuschen, den Garten und den großen Wald, der dazugehörte.

 

An diesem Tag erlebte ich etwas Verwirrendes – etwas positiv Verwirrendes. Wir drei gingen langsam hoch Richtung Waldrand und plötzlich musste ich aufgeregt in die Gesichter der beiden schauen. Uah! Was ist das denn – finden die das auch so verrückt?! Die gesamte Wiese war plötzlich in eine Duftwolke gehüllt. Eine so intensive, dass sie surreal war. Aber – außer mir schien tatsächlich niemand was zu merken! Der Duft war himmlisch und er kam von diesem Mann, der sich für das Grundstück interessierte: Der duftete intensivst nach einer Mischung aus schönsten Zutaten: Holz, Sonne, Haut, Erde, Wolle, Wald und Salz. Ich wich nicht mehr von seiner Seite und schnüffelte unauffällig so viel ich konnte von ihm auf.

 

Bald schlenderten wir zurück zum Haus und die beiden verschwanden wieder. Für einen kurzen Moment dachte ich: Ich hatte mich so gut gefühlt in der Nähe dieses Mannes – ob ich ihn irgendwie nochmal kontaktieren sollte? Aber im nächsten Moment spürte ich, dass mir das viel zu anstrengend war. Über all die Jahre hatten meine Schmerzen mir unerbittlich beigebracht: Was ich nicht von allein geschehen und zu mir kommen lassen konnte, lag nicht auf meinem Weg – das hatte ich wieder und wieder erfahren. Außerdem war dieser Mann verheiratet – er hatte davon gesprochen, das Grundstück für sich und seine Frau anzuschauen. Da wollte ich niemanden stören. Und so vergaß ich ihn auch schon wieder.

 

Aber dann, zwei, drei Wochen später, klingelte es abends an meiner Haustür. Ich war schon im Schlafanzug, wer war denn das? Ich kriegte nie Besuch, schon gar nicht so spät! Ich öffnete die Tür und draußen in der Dunkelheit – stand dieser Mann mit dem himmlischen Geruch!

 

Er kam rein und diesmal sah er ganz anders aus: grau – und fix und fertig. Im Streit war er von zuhause geflüchtet und irgendwas hatte ihn zu mir geführt. Er legte sich auf mein Sofa und wir redeten. Nicht lange, denn dann kam er zu mir, ich saß im Sessel. Er kniete sich hin und legte einfach seinen Kopf auf meinen Schoß. Alles fühlte sich zwar völlig merkwürdig, aber doch absolut richtig an und ich streichelte seinen Kopf. Im nächsten Moment fragte er: „Kann man sich hier vielleicht irgendwo hinlegen?“ Und schon lagen wir eng umschlungen in meinem Bett – huh!

 

Das war Harald und er und ich wurden ein Paar. Aber ihm ging es seelisch sehr schlecht und nach ein paar Wochen konnte er nicht mehr mit mir schlafen – es ging einfach nicht. Und doch offenbarte sich nun eine ganz andere Art von Intimität: Harald musste ständig weinen. Jeden Tag, immer wieder. Ich machte nichts, außer ihn sanft an mich zu drücken. Das war einerseits tieftraurig. Aber trotzdem auch wunderschön: Mein Herz wurde so weich für ihn und in meinem Arm hüllte ich ihn in eine dichte Liebeswolke, so viel und so lange er wollte. So lagen wir immer wieder zusammen, jeden Tag, und ich spürte, wie tragend und sicher und heilsam der Raum war, den meine Liebe ihm bereitete. Eine schier unerschöpfliche Traurigkeit hatte sich in ihm angesammelt. Und jetzt, hier in meinem Bett, floss sie literweise aus ihm heraus.

 

Das Ende dieser Begegnung kam unerwartet, nur ein paar Monate später. Damals war ich tief verletzt und verwirrt. Heute kann ich es nur so formulieren: Als Harald sich ausgeweint hatte, verschwand er genau so plötzlich wie er aufgetaucht war. Er ging zurück in seine Ehe, die ein Albtraum gewesen sein muss – all seine Tränen hatten sich während dieser langen Ehe in ihm aufgetürmt – immer wieder hatte er mir von seinem Kummer erzählt.

 

Mir brach es das Herz, aber ich spürte, dass „jemanden lieben“ immer bedeuten musste, dass man frei liebt: Man musste dem Geliebten absolute Freiheit zugestehen – selbst dann, wenn er sie dazu nutzte, sich selbst zu zerstören – nur das war für mich wirkliche Liebe.

 

Und so blieb mir nichts übrig, als mich abzuwenden. Und ich wollte nun keine Sekunde länger teilhaben am Leben dieses Mannes, der freiwillig zurück in sein abgrundtiefes Leiden gegangen war. Jetzt wollte ich nur noch mein eigenes Herz schützen und ihm diesen Anblick nicht länger aufbürden.

 

Das führte zu einer verblüffenden Beobachtung. Harald verstörte mein Schweigen und noch viele Wochen lang versuchte er, mich zu kontaktieren. Mich wunderte das – wie konnte er das noch erwarten? Als sein Drängen nicht nachließ, spürte ich dem nach. Und ich konnte erkennen: Angesichts meiner so unermesslichen Liebe für ihn hatte er es einfach nicht für möglich gehalten, dass ich ihn jemals wieder verlassen könnte. Jetzt erst sah ich, dass auch er meine Liebe fehlgedeutet hatte: Ihm war nicht klar, dass er nur das erhalten hatte, was ich überschüssig hatte.

 

Wenn ich liebe, dann ist meine Liebe groß. Sie ist aufrichtig und tief und groß. Aber sie ist niemals größer als meine Selbstliebe. Denn die ist meine größte Liebe und sie ist so unerschöpflich, dass ich überlaufe davon – und es ist nur diese überschüssige Liebe, die dann anderen Menschen zufließt. Allein sie erlebte Harald als so unendlich groß, dass er es für unmöglich gehalten hatte, dass ich mich selbst noch mehr lieben könnte als ihn.

 

Ich wendete mich also ab und konnte wie immer nur all meinen Kummer zulassen. Und mitten in diesem vernichtenden Schmerz wusste auf einmal ich selbst erst mit zweifelsfreier Klarheit, dass ich leben wollte. Und plötzlich erschien es mir so, als ob meine Energie dieses Bekenntnis von mir eingefordert hatte – dass der Sinn dieser Erfahrung genau darin gelegen hatte, meinen Lebenswillen so deutlich zu äußern. Als brauchte meine Energie ihn als Auftrag für das Erschaffen meines weiteren Weges.

 

Dieser Moment bewegte mich tief und ich spürte, dass der schlimmste Kummer hinter mir lag. Und ganz leise bemerkte ich nun sogar eine Erleichterung: Harald konnte nie richtig mit mir schlafen und ich hatte Mitgefühl und Verständnis für ihn gehabt – es wunderte mich nicht, weil es ihm einfach sehr schlecht ging. Aber nun spürte ich mich doch aufatmen: Immerhin dieses Problem brauchte mich nicht mehr zu kümmern. Jetzt erst konnte ich mir eingestehen, wie sehr es mich doch belastet hatte – die Sorge, ob sich das jemals ändern würde? Diesen Gedanken hatte ich verdrängt und nun war ich erleichtert, dass er mich nicht mehr beschäftigen musste.

 

Und erst jetzt konnte ich sehen, dass ich bereitwillig ausgerechnet auf die eine Sache verzichtet hatte, von der ich doch längst wusste, dass sie mein allergrößtes Heiligtum war. Es fühlte sich an, als hätte ich mich selbst verraten. Für die Zukunft entschied ich: Sowas läuft nicht nochmal. Ich möchte richtig mit einem geliebten Mann schlafen können und ich bin nicht mehr bereit, darauf zu verzichten – dieser Kompromiss war viel zu groß gewesen.

 

Meine Energie hatte das registriert und das Problem tauchte nie wieder auf. Und was als Nächstes Wundervolles in meinem Liebesleben passierte, erzähle ich dir im folgenden Blogbeitrag

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