Mein Liebesleben – Teil 4

Quantenzärtlichkeit

Mareike Schauf Coaching Heilpraktikerin

Ein halbes Jahr später schenkte mir mein Vater ein kleines Auto – mein erstes nach fast 25 Jahren! Ich unternahm damit eine Reise in die Berge. Vielleicht würde mir dort ein neues Zuhause über den Weg laufen? Dieser Gedanke hatte sich gut angefühlt und ich hatte eine optimistische Aufbruchstimmung gespürt. Aber dann vor Ort brach alles in sich zusammen: Meine Ferienwohnung entpuppte sich als deprimierendes Loch.

 

Gleich am nächsten Morgen flüchtete ich in die Natur. Ich hatte mir einen ruhigen Wanderweg rausgesucht und marschierte los. Aber es war kalt und irgendwie war der Wurm drin – es ging mir einfach schlecht. Ich wusste nicht, wo ich leben wollte und überhaupt – was mein neues Zuhause betraf, fühlte sich einfach nichts leicht an. Irgendwann wollte ich am liebsten weinen, aber hier im Wald war alles nass, ich konnte mich nirgendwo hinsetzen. Also schleppte ich mich weiter den Berg hinauf, tief in den Wald hinein. Irgendwann ging es mir so schlecht, dass ich umkehren wollte. Aber weil es nicht mehr weit bis zu einem Gipfel mit toller Aussicht sein sollte, nahm ich mir vor, den noch mitzunehmen – um zumindest eine schöne Sache zu erleben.

 

Als es nicht mehr weit war, bog ich um eine Kurve und – dort mitten im Wald stand ein uriges Wohnhaus. Dieser idyllische Anblick hätte einem eigentlich das Herz aufgehen lassen müssen – aber mich deprimierte er nur noch mehr: Wieso können die so schön wohnen und statt eines Zuhauses gibt es für mich nur Fragezeichen? Frustriert und müde schleppte ich mich weiter.

 

Die Aussicht oben war wirklich traumhaft und dieses Ziel brachte noch ein kleines Highlight: Ein Foto, das ich von mir selbst machte – obwohl es mir so schlecht ging, mag ich es ganz besonders. Du siehst es oben.

 

Weil der Wind eisig war, machte ich mich bald wieder auf den Rückweg. Als das idyllische Waldhaus in Sicht kam, sah ich ein Auto davor stehen. Ich dachte: Falls – und wirklich nur falls – ich da irgendwem begegne, frage ich, ob dort eine Wohnung frei ist. Ich fühlte mich eher verpflichtet, das zumindest zu probieren, denn eigentlich wollte ich gar nicht mit irgendwem reden – ich hoffte, dass ich mich unbemerkt vorbeischleichen könnte.

 

Aber – da war jemand. Kam genau in dem Moment aus der Tür auf mich zu, als ich vorbeikam. Aber ich blieb nicht stehen, sondern rief im Laufen: „Haben Sie zufällig ne Wohnung frei?“ Der Mann fragte etwas zurück, also bog ich doch ab zu ihm und wir unterhielten uns ein paar Minuten. Eine Wohnung hatte er nicht für mich. Aber ich spürte sofort, dass er mich mochte – und ich mochte ihn auch. Aber er hatte es sehr eilig. Ich gab ihm meine Visitenkarte, falls ihm ein Zuhause für mich einfiel. Und schon machte ich mich wieder auf den Heimweg.

 

Mein Herz wurde warm. Oooooh. So eine überraschende Begegnung mitten im Nirgendwo. Ich machte mir ein paar Gedanken über diesen Mann, aber dann spürte ich schon wieder: zu anstrengend. Alles muss leicht gehen und von allein auf mich zukommen – anders geht es einfach nicht mehr.

 

Am selben Abend kam eine Email von diesem Mann. Er hieß Bernd und wollte am nächsten Tag in seine ursprüngliche Heimat fahren – nicht weit von Worpswede! Wenn er zurück musste, wäre ich wieder zuhause und wir verabredeten, dass er dann einen Zwischenstopp bei mir machen würde.

 

Ui! Wow, auf einmal war alles wieder hell und ich freute mich so sehr auf diese Begegnung! Und ich fühlte mich fast zu Tränen gerührt, wie meine Energie doch immer wieder für mich so beglückende Wendungen aus dem Hut zauberte.

 

Eine gute Woche später war es soweit. Diesmal freute ich mich mehr als dass ich aufgeregt war – wie noch vorm Kaffeetrinken mit Sebastian. Bernd kam, wir tranken Kaffee und redeten. Und redeten und redeten und redeten. Dann aßen wir Abendbrot und redeten weiter. Dann tranken wir einen Wein und redeten weiter. Und die ganze Zeit war mein gesamter Körper voll von warmer Freude. Mein Herz ging weit auf und es wollte am liebsten gleich zu Bernds hinüberhüpfen. Ich fühlte mich so wohl mit diesem Mann und ich konnte nicht anders, als ihn die ganze Zeit anzustrahlen.

 

Es wurde immer später und irgendwann mussten wir ein Ende finden. Geplant war, dass Bernd in einem kleinen Raum auf meiner Gästematratze schlief. Aber… das konnte er doch nicht ernsthaft tun, oder? Während wir sein Lager aufbauten und uns die Zähne putzen, wurde ich immer schweigsamer. Bernd wohnte viele hundert Kilometer weit weg – wenn er morgen wieder fuhr… würden wir uns überhaupt wiedersehen? Alles in mir schrie: Neeeeeiiiin, nicht so! Aber Bernd packte wie geplant seinen Schlafsack aus.

 

Und dann war es soweit: Wir sagten Gute Nacht und nahmen uns zum Abschied in den Arm. Aber ich hielt es einfach nicht mehr aus – und fragte ihn direkt in sein Ohr: „Willst du nicht doch lieber bei mir schlafen?“

 

Und natürlich kam er mit zu mir ins Bett. Und es folgte eine unbeschreiblich wunderschöne Nacht mit ihm. Mein Körper glitt wieder in seine Liebes-Trance und zum ersten Mal erlebte ich Intimität mit einem richtig, richtig zärtlichen Mann. Vorher war auch niemand grob gewesen. Aber das hier war völlig anders. Das hier war wirklich zärtlich – diesmal waren da zwei extrem zärtliche Menschen ganz nah beieinander. All unsere gegenseitigen Berührungen waren so unendlich zart und feinfühlig, wie ich es noch niemals vorher mit jemandem erlebt hatte.

 

Und so versetzte mir Bernds Antwort am nächsten Tag auch einen Stich, als ich ihn fragte, ob er wirklich in meinem Gästebett übernachtet hätte? Ja, auf jeden Fall – er hätte nicht im Traum daran gedacht, mir gleich bei unserer ersten Begegnung eine gemeinsame Nacht vorzuschlagen. – Wie bitte?! Er wäre tatsächlich ohne dieses Glück wieder nachhause gefahren!? Mich schockierte das – aber es machte mich auch traurig – was war hier los mit der Welt? Dieser wunderschöne Abend zusammen – jedes Molekül unserer Realität hatte laut gestrahlt und unsere unübersehbare Verliebtheit herausposaunt. Wie konnte Bernd das ignorieren und stur irgendeiner schrägen Benimmregel Vorrang geben?

 

Dank meines beherzten Eingreifens wurden wir zum Glück bereits jetzt ein Paar und ich besuchte Bernd bald in seinem wunderschön idyllischen Waldhäuschen – ich konnte nicht fassen, dass ich darin nun tatsächlich wochenlang wohnte!

 

Allerdings war unsere Beziehung alles andere als idyllisch. Dieser unendlich zärtliche Bernd war außerhalb vom Bett, in seinem normalen Alltag, unfassbar kalt und abweisend – mein Spitzname für ihn ab Tag drei: Eisklotz. Gleich nach ein paar Tagen brach ich auf einem einsamen Spaziergang wegen dieser unbegreiflichen Lieblosigkeit zusammen. Es war so grausam: Bernd schlief nicht mit mir, er küsste mich nicht und er berührte mich nicht. Und das Schlimmste war, dass er auch mir nicht erlaubte, ihn zu berühren – was war denn hier los?! Ich liebte ihn, aber ich wusste, dass ich das so nicht konnte. Ich wollte ihn auch nicht verändern und deshalb war mir klar, dass ich gehen musste.

 

Ich kam weinend wieder zu ihm ins Haus und sagte ihm das. Es ließ ihn kalt, denn er kannte es nicht anders – dass Frauen es mit ihm nicht aushielten. Dann musste er weg, irgendwas erledigen. Ich wollte meine Sachen packen und nachhause fahren. Aber als er weg war – konnte ich nicht. Er kam zurück und ich war noch da. Wir wunderten uns beide. Und dann, wie ferngesteuert, stand ich vom Tisch auf und ging auf ihn zu. Ich sah ihn an und sagte: „Ich will nicht fahren. Ich will bei dir sein.“ Und setzte mich wieder an mein Laptop. Nach einer intensiven Stille kam Bernd zu mir. Er kauerte sich neben mich und legte seinen Kopf in meinen Schoß. So eine Geste war eigentlich undenkbar für ihn. Sowas hatte er vorher nie gemacht und auch danach nie wieder. Keiner von uns sagte etwas und so hockte er da eine ganze Weile und ich streichelte seinen Kopf – und blieb.

 

Seine extrem ruppige Art änderte sich allerdings nicht. Ich besuchte ihn mehrere Male, aber meine Besuche wurden immer kürzer, weil ich seine Pampigkeit immer weniger ertragen wollte. Irgendwann blieb ich ganz weg. Dann besuchte er mich ab und zu und das war deutlich einfacher – aus irgendeinem Grund konnte er sich bei mir zuhause besser benehmen.

 

Aber warum blieb ich bei so jemandem? – wunderst du dich bestimmt. Ich liebte einfach sein wirkliches Wesen, das ich hinter dieser rotzigen Ruppigkeit wahrnahm. Gleich bei unserer ersten Begegnung hatte ich gedacht: Ui, das ist so ein großer und starker Mensch! Er wirkte so unglaublich kraftvoll und wenn er seine Kraft ausnahmsweise mal nicht in Beleidigungen und Grimmigkeit verpulverte, machte es mir einfach Freude, das zu sehen. Seine Stimme war immer laut – aber nicht nervig, sondern einfach bärenstark und klar und deutlich. Wenn jemand anrief und er am Telefon nur seinen Namen sagte, hatte ich den Eindruck, das gesamte Universum hätte eine kurze Erinnerung erhalten, dass er – BERND! – noch existierte. Für mich fühlte sich das so wunderschön kraftvoll und lebendig an, dass ich es stundenlang auf Repeat hätte anhören können.

 

Aber der eigentliche Grund dafür, dass ich bei Bernd blieb, war unsere Intimität. Anfangs fand sie erschütternd selten überhaupt statt und ich spürte, dass auch das Teil seiner merkwürdiger Gehässigkeit war. Als wollte er mir sagen: Ich bestimme, wer hier wann Freude hat. Noch dazu wusste er, wieviel diese Nähe mir bedeutete und sie mir vorzuenthalten schien ihm auf eine kranke Art einen Kick zu geben – es war schwer auszuhalten und oft konnte ich nur noch flüchten.

 

Mit der Zeit änderte sich aber etwas. Denn ich konnte etwas Neues an mir beobachten. Und nun weiß ich wirklich nicht, wie ich das beschreiben soll – aber ich möchte es so gerne teilen, weil es so unfassbar schön ist…

 

Wenn Bernd und ich uns doch ganz selten mal dort im einsamen Waldhäuschen im dunklen Bett näher kamen, veränderte sich meine Zärtlichkeit im Laufe der Zeit. Sie wurde tatsächlich noch viel, viel intensiver. Mein Körper und meine Hände – sie machten ja alles allein, ich war nur die passive Zeugin von allem. Und teilweise berührten meine Hände Bernds Haut nun überhaupt nicht mehr, wenn sie ihn in Zeitlupe streichelten. Sie bewegten sich ganz dicht darüber, so dass sie nur ab und zu unendlich zart ein Härchen berührten. Und obwohl ich deshalb eigentlich weniger hätte fühlen müssen – war das Gegenteil der Fall: Diese Zärtlichkeit, die mich erfüllte und überall aus mir herausfloss – ich spürte sie dadurch sogar noch viel, viel intensiver.

 

Und auch Bernd war wie kein anderer bereit, dieses Wunder einfach geschehen zu lassen – jedenfalls erlebte ich ihn so. Tatsächlich sprachen wir nie darüber – ich wollte dieser Erfahrung kein einziges Wort hinzufügen und mein Eindruck war, dass es Bernd genauso ging. Und immer bewegten wir uns kaum, wir schwiegen und staunten andächtig und badeten in diesem glitzernden See von Zärtlichkeit, in dem wir uns wie aus dem Nichts auf einmal wiederfanden. Und leider bleibt es letztlich unbeschreiblich, wie himmlisch diese langen, so unfassbar intimen Stunden zwischen uns wirklich waren – kannst du dir vorstellen, dass einfach richtig Schlimmes hätte passieren müssen, bevor ich bereit gewesen wäre, das aufzugeben?

 

Zum Glück schaffte es diese „Quantenzärtlichkeit“ nun doch, Bernds pubertäre Trotzigkeit zu schmelzen und mit der Zeit wollte auch er mehr davon – er war also kein Zombie, puh. Das entspannte mich ein bisschen und so war unsere Beziehung eine Zeit lang relativ stabil. Und doch türmten sich weiterhin Momente aufeinander, in denen Bernd einfach unterirdisch gehässig war.

 

Ich stellte mir vor, dass etwas in ihm permanent spüren musste, wie zart und sensibel er eigentlich war – so dass er sicherheitshalber sofort jeden vergraulte, der diesem verletzlichen Teil zu nahe kam. Ja, jeden, der auch nur versuchte, sich ihm zu nähern. Und letztlich verhielt er sich immer wieder so dermaßen verletzend, dass der Moment irgendwann unausweichlich war – in dem ich Robotersex mit ihm erlebte. Das zweifelsfreie Signal meines Körpers: nun war es genug – unsere gemeinsame Zeit war vorbei.

 

Uh, es hat mich aufgewühlt, diese Beziehung zu beschreiben – sie ging einfach unglaublich unter die Haut. Bleibt noch eine letzte übrig. Davon beim nächsten Mal.

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