Noch mehr Zärtlichkeit

Verzauberte Berührungen

Mareike Schauf Coaching Heilpraktikerin

Ein paar Monate später schenkte mir mein Vater ein kleines Auto – mein erstes nach fast 25 Jahren! Der Wunsch danach war aufgetaucht, als meine Vermieterin sich entschieden hatte, mein Häuschen zu verkaufen. Sie meinte, das würde natürlich nicht gleich von einem Tag auf den anderen passieren, aber sie wollte jetzt anfangen, sich nach einem Käufer umzusehen. Im ersten Moment hatte mich diese Nachricht schockiert. Aber nur ein paar Sekunden später atmete etwas in mir auch auf: Dieses Zuhause war zwar wirklich wunderschön und idyllisch. Aber es war leider in einem grottenschlechten Zustand. Seit einem halben Jahrhundert war nur das Allerallernötigste an meinem Häuschen gemacht worden und es fing schon an, mich zu nerven, dass alles so abgenutzt und improvisiert war. Jetzt war also klar: Es wird etwas Neues kommen, denn jetzt muss etwas Neues kommen. Und daraufhin machte ich mit meinem neuen Auto immer mal wieder kleine Reisen in alle möglichen Gegenden Deutschlands, die mich irgendwie ansprachen. Vielleicht würde mir ja dabei ein neues Zuhause über den Weg laufen? Irgendwie hatte sich dieser Gedanke gut angefühlt und in mir war eine optimistische Aufbruchstimmung.

 

Auf einem von diesen Kurztrips ging es weiter mit meinem Liebesleben. Obwohl ich die Reise selbst erstmal enttäuschend fand, meine Ferienwohnung sah nämlich in echt ganz anders aus als auf den Bildern im Internet: In Wahrheit war es ein deprimierendes Kellerloch. Deshalb flüchtete ich gleich am nächsten Morgen in die Natur. Ich hatte mir einen ruhigen Wanderweg rausgesucht und stiefelte los. Aber es war kalt und – irgendwie war der Wurm drin… 

 

Es ging mir einfach schlecht: Ich wusste nicht, wo ich leben wollte und überhaupt – wenn es um mein neues Zuhause ging, dann fühlte sich einfach gar nichts leicht an. Eigentlich wollte ich am liebsten weinen, aber da im Wald war alles nass, so dass ich mich nirgendwo hinsetzen wollte. Also schleppte ich mich weiter einen Hügel rauf, tief in den Wald hinein. Irgendwann ging es mir so schlecht, dass ich umkehren wollte. Aber genau dort stand ein Wegweiser zu einem Aussichtspunkt. Und weil es nicht mehr weit bis dahin war, nahm ich mir vor, den noch mitzunehmen – das wäre dann wenigstens eine einzige schöne Sache für heute.

 

Ich ging also weiter und kurz darauf machte der Weg eine Kurve und – dort auf einer kleinen Lichtung stand ein uriges altes Wohnhaus. Es sah so idyllisch aus, dass mir eigentlich das Herz hätte aufgehen müssen. Aber nicht heute – mich deprimierte das nur noch mehr: Wieso können die so schön wohnen, aber für mich gibt es gar kein Zuhause, sondern immer nur Fragezeichen? Ich war so frustriert, aber ich schleppte mich müde weiter. Die Aussicht oben war dann wirklich traumhaft und dieses Ziel brachte sogar noch ein ganz kleines Souvenir: Ein Foto, das ich von mir selbst gemacht habe – obwohl es mir so schlecht ging, mag ich es ganz besonders. Du siehst es oben.

 

Weil der Wind eisig war, machte ich mich gleich wieder auf den Rückweg. Als das kleine Waldhäuschen in Sicht kam, sah ich jetzt ein Auto davor stehen. Ich dachte: Falls – und wirklich nur falls – ich da irgendwem begegne, werde ich fragen, ob da vielleicht eine Wohnung frei ist. Ich fühlte mich eher verpflichtet, das zumindest zu versuchen, denn eigentlich wollte ich mit überhaupt niemandem sprechen – ich hoffte, dass ich mich schnell vorbeischleichen könnte.

 

Aber: da war wirklich jemand. Ein Mann kam genau in dem Moment, als ich vorbeikam, aus der Tür auf mich zu. Aber ich blieb gar nicht stehen, sondern ich rief im Laufen: „Haben Sie zufällig ’ne Wohnung frei?“ Der Mann fragte etwas zurück, also machte ich doch einen Schlenker zu ihm rüber und wir unterhielten uns ein paar Minuten. Eine Wohnung hatte er nicht für mich. Aber ich spürte sofort, dass er mich mochte – und ich mochte ihn auch. Aber er hatte es eilig. Ich gab ihm meine Visitenkarte, falls ihm noch ein Zuhause für mich einfallen sollte. Und schon machte ich mich wieder auf den Heimweg.

 

Mein Herz wurde warm. Oooooh. So eine überraschende Begegnung mitten im Nirgendwo. Ich machte mir ein paar Gedanken über diesen Mann. Aber dann spürte ich schon wieder: zu anstrengend. Alles muss leicht gehen und von allein auf mich zukommen – anders geht es einfach nicht mehr.

 

Am selben Abend kam eine E-Mail von diesem Mann. Er hieß Bernd und wollte am nächsten Tag in seine ursprüngliche Heimat fahren – nicht weit von meinem eigenen Zuhause! Bevor er zurück musste, wäre auch ich wieder da und wir verabredeten, dass er dann einen Zwischenstopp bei mir machen würde. Uuuiii, wow! Auf einmal war alles wieder hell und ich freute mich so sehr auf diese Begegnung! Und ich musste fast weinen darüber, wie meine Energie doch immer wieder so beglückende Wendungen für mich aus dem Hut zauberte.

 

Eine gute Woche später war es dann soweit. Diesmal freute ich mich mehr als dass ich aufgeregt war – wie noch vorm Kaffeetrinken mit Sebastian. Bernd kam und wir tranken Tee und redeten. Und redeten und redeten und redeten. Dann aßen wir Abendbrot und redeten weiter. Dann tranken wir einen Wein und redeten weiter. Und die ganze Zeit war mein gesamter Körper voll von warmer Freude. Mein Herz ging weit auf und es wollte am liebsten gleich zu Bernds rüber hüpfen. Ich fühlte mich so wohl mit diesem Mann und ich konnte nicht anders, als ihn die ganze Zeit anzustrahlen.

 

Es wurde immer später und irgendwann mussten wir einfach ein Ende finden. Wir hatten geplant, dass Bernd in einem kleinen Raum auf meiner Gästematratze übernachtete. Aber… das konnte er doch nicht wirklich machen, oder? Während wir sein Lager aufbauten und uns die Zähne putzten, wurde ich immer stiller. Bernd wohnte soo weit weg. Wenn er morgen wieder fuhr… würden wir uns überhaupt wiedersehen? Alles in mir schrie: Neeeeeiiiin, nicht so! Aber Bernd packte wie geplant seinen Schlafsack aus.

 

Und dann war es soweit: Wir sagten Gute Nacht und nahmen uns zum Abschied in den Arm. Und dann – hielt ich es einfach nicht mehr aus. Ich fragte Bernd direkt in sein Ohr: „Willst du nicht doch lieber bei mir schlafen?“

 

Und natürlich kam er mit zu mir ins Bett. Und es folgte eine unbeschreiblich wunderschöne Nacht mit ihm. Mein Körper versank wieder in seine Liebes-Trance und zum ersten Mal erlebte ich Intimität mit einem richtig, richtig zärtlichen Mann. Es war auch vorher niemand grob gewesen. Aber das hier war einfach völlig anders. Das hier war wirklich zärtlich – diesmal waren da zwei extrem zärtliche Menschen ganz nah beieinander. All unsere gegenseitigen Berührungen waren so unendlich zart und feinfühlig, wie ich es noch niemals vorher mit jemandem erlebt hatte.

 

Und deshalb konnte ich auch Bernds Antwort am nächsten Tag nicht glauben, als ich ihn fragte, ob er wirklich in meinem Gästebett übernachtet hätte? Ja, auf jeden Fall. Er hätte nicht im Traum daran gedacht, mir gleich bei unserer ersten Begegnung eine gemeinsame Nacht vorzuschlagen. Wie bitte?! Er wäre wirklich ohne dieses Glück wieder nachhause gefahren!? Ich war schockiert – aber es machte mich auch so traurig – was war nur los mit der Welt? Dieser wunderschöne Abend zusammen: Jedes Molekül unserer Realität hatte laut gestrahlt und unsere absolut unübersehbare Verliebtheit herausposaunt. Wie konnte Bernd das bloß ignorieren und lieber irgendeiner schrägen Benimmregel Vorrang geben?! Zum Glück hatte ich keine Rücksicht darauf genommen, so dass einfach gleich das passieren konnte, was unsere Herzen doch so sehr wollten: Wir wurden ein Liebespaar. Und schon eine Woche später besuchte ich Bernd in seinem wunderschön idyllischen Waldhäuschen – ich konnte gar nicht glauben, dass ich darin jetzt wirklich wochenlang wohnte!

 

Bloß leider war unsere Beziehung kein bisschen idyllisch. Denn außerhalb vom Bett, in seinem normalen Alltag, war dieser so unendlich zärtliche Bernd einfach unfassbar kalt und abweisend. Mein Spitzname für ihn stand sofort fest: Eisklotz. Sein Verhalten war für mich so unbegreiflich, dass ich gleich nach ein paar Tagen auf einem einsamen Spaziergang in Tränen ausbrach. Alles fühlte sich so grausam an: Bernd wollte nicht mit mir schlafen, er küsste mich nicht und er berührte mich nie. Aber am Schlimmsten war für mich, dass ich ihn auch nicht berühren durfte – er wollte das einfach nicht. Ich konnte das nicht glauben. Was war hier nur los?! Ich liebte ihn, aber ich wusste, dass ich das so nicht konnte. Und ich wollte ihn auch nicht verändern. Meine Gedanken rasten und dann konnte ich nur noch mehr weinen, als mir irgendwann klar wurde, dass es nur eine Lösung gab: Ich musste gehen.

 

Und so kam ich weinend wieder zu Bernd ins Haus und sagte ihm das. Es ließ ihn völlig kalt und da kapierte ich, dass er mir die Wahrheit gesagt hatte: Er hatte mir erzählt, dass keine Frau es auf Dauer mit ihm ausgehalten hatte. Er kannte das also gar nicht anders. Dann musste er weg, um irgendwas zu erledigen. Ich wollte meine Sachen packen und nachhause fahren. Aber als er weg war – konnte ich irgendwie nicht. Also war ich immer noch da, als er zurückkam und wir wunderten uns beide. Und dann machte ich etwas, das mich selbst verwirrte: Ich stand wie ferngesteuert vom Tisch auf und ging auf Bernd zu. Ich guckte ihn an und sagte: „Ich will nicht fahren. Ich will bei dir sein.“ Und setzte mich wieder an mein Laptop. Nach einer längeren Stille kam Bernd zu mir. Er kauerte sich neben mich auf den Boden und legte seinen Kopf in meinen Schoß. Ich war so berührt: So eine Geste war eigentlich undenkbar für ihn. Sowas hatte er noch nie vorher gemacht und auch danach nie wieder. So hockte er da eine ganze Weile und keiner von uns sagte etwas. Ich streichelte nur seinen Kopf – und blieb.

 

An Bernds ruppiger Art änderte sich aber leider nichts. Ich besuchte ihn mehrere Male, aber meine Besuche wurden immer kürzer, weil ich seine Pampigkeit immer weniger ertragen wollte. Irgendwann blieb ich ganz weg. Dann besuchte er mich ab und zu und das war etwas einfacher: Aus irgendeinem Grund war er bei mir zuhause ein bisschen umgänglicher.

 

Aber warum blieb ich überhaupt bei so jemandem? – wunderst du dich bestimmt. Weil ich wirklich Bernds echtes Wesen liebte und das konnte ich unter dieser rotzigen Ruppigkeit wahrnehmen. Schon bei unserer ersten Begegnung hatte ich gedacht: Ui, das ist so ein großer und starker Mensch! Für mich wirkte er einfach unglaublich kraftvoll. Und wenn er diese Kraft ganz selten mal nicht in Beleidigungen und Grimmigkeit verpulverte, dann machte es mir solche Freude, das zu sehen. Seine Stimme war immer laut – aber nicht nervig, sondern einfach bärenstark und klar und deutlich. Wenn jemand anrief und er am Telefon nur seinen Namen sagte, dann klang das für mich so, als hätte das gesamte Universum mal kurz eine Erinnerung erhalten, dass er – BERND! – noch da war. Für mich hörte sich das so wunderschön kraftvoll und lebendig an, dass ich es am liebsten stundenlang auf Repeat gehört hätte.

 

Aber in Wahrheit gab es nur einen Grund dafür, warum ich bei Bernd blieb, und das war unsere Intimität. Dabei gab es am Anfang fast überhaupt keine und ich spürte, dass auch dahinter nur Bernds merkwürdige Gehässigkeit steckte. Als ob er mir sagen wollte: Ich bestimme, wer hier wann Freude hat. Er wusste genau, wieviel mir diese Nähe bedeutete, aber ich merkte, dass es ihm auf eine wirklich richtig kranke Art einen Kick gab, sie mir genau deswegen zu verweigern. Sein Verhalten war für mich kaum auszuhalten und oft flüchtete ich nur noch nachhause.

 

Aber mit der Zeit änderte sich doch etwas. Denn ich konnte etwas Neues an mir beobachten. Und jetzt weiß ich wirklich nicht, wie ich das noch beschreiben soll – aber ich möchte es so gerne teilen, weil es so unglaublich schön ist…

 

Wenn Bernd und ich uns doch ganz selten mal da im einsamen Waldhäuschen im dunklen Bett näher kamen, dann veränderte sich meine Zärtlichkeit im Laufe der Zeit: Sie wurde noch viel, viel intensiver. Mein Körper und meine Hände – sie machten ja alles allein, ich selbst war nur die passive Zeugin von allem, was passierte. Und jetzt war es häufig so, dass meine Hände Bernds Haut überhaupt nicht mehr berührten. Sondern sie bewegten sich ganz dicht darüber, so dass sie nur noch ab und zu unendlich fein und zart ein Härchen berührten, wenn sie ihn in Zeitlupe streichelten. Und obwohl ich deshalb ja eigentlich weniger hätte fühlen müssen – war es genau andersherum: Diese Zärtlichkeit, die mich erfüllte und überall aus mir herausfloss – ich spürte sie dadurch sogar noch viel, viel intensiver.

 

Und in diesen Momenten war auch Bernd wirklich ein ganz, ganz besonderer Mann. Noch nie hat mich jemand so vorsichtig und feinfühlig berührt. Ja, bis heute habe ich mit niemandem eine so intime Intimität erlebt. Weil auch er dieses Wunder einfach geschehen lassen konnte. Zumindest kam es mir so vor. Aber in Wahrheit haben wir nie darüber geredet und mir war auch gar nicht danach: Für diese Erfahrung wollte ich keine Wörter benutzen. Und ich hatte den Eindruck, dass es Bernd genauso ging.

 

Wir bewegten uns auch immer kaum. Wir schwiegen und staunten und badeten in diesem glitzernden See von Zärtlichkeit, in dem wir uns wie aus dem Nichts auf einmal wiederfanden. Und leider ist es am Ende doch nicht beschreibbar, wie himmlisch diese langen, so unglaublich intimen Stunden zwischen uns wirklich waren. Kannst du dir vorstellen, dass einfach erst etwas richtig Schlimmes passieren musste, bevor ich bereit war, das aufzugeben? Und zum Glück bewirkte diese magische „Quantenzärtlichkeit“, dass auch Bernd mit der Zeit mehr davon wollte – puh, sonst wäre er mir aber auch wirklich fast unheimlich geworden. Mich entspannte das ein bisschen, so dass sich unsere Beziehung eine Zeit lang relativ stabil und gut für mich anfühlte.

 

Aber leider türmten sich trotzdem auch weiter Momente aufeinander, in denen ich Bernd einfach unterirdisch gehässig fand. Etwas in ihm spürte anscheinend die ganze Zeit, wie zart und sensibel er wirklich war – so dass er wie ein verletztes Tier jeden beißen musste, der ihm näherkommen wollte. Und weil ich ja wusste, wie leicht wir solche Ängste auflösen können, indem wir sie uns anschauen, hatte ich ihn ganz dringend gebeten, das zu tun. Aber davon wollte er nichts wissen und so war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis er mich mit seinem Verhalten endgültig vergraulte.

 

Da sahen wir uns sowieso nicht mehr oft, vielleicht ein Wochenende im Monat. So einen seltenen Besuch wollte Bernd dann irgendwann auch noch wegen einem anderen Termin absagen. Ich war so traurig deswegen: „Oh nein, Bernd – ich vermisse dich. Ich möchte dir nah sein und dich berühren und mit dir schlafen.“ Da verpasste er mir eine Antwort, die so dermaßen hässlich war, dass sie in meinem wunderschönen Blog eigentlich gar keinen Platz kriegen dürfte: „Wie haben das bloß deine anderen Männer mit dir ausgehalten, wenn du ständig nur vögeln wolltest?“ 

 

Jetzt frage ich mich gerade selbst, wieso Bernd mich danach überhaupt nochmal besuchen durfte? Ich denke, ich stand wohl wirklich unter Schock. Darüber, dass er ohne mit der Wimper zu zucken unser himmlisches Wunder vernichtet hatte – einfach so, mit so einem einzigen rausgerotzten Satz. Das durfte nicht wahr sein und deshalb konnte es für mich nicht wahr sein. Erst als Bernd dann nochmal bei mir im Bett war, kapierte ich es: Jetzt war es nur noch Robotersex. Also das eindeutige Signal meines Körpers, dass das Maß voll war. Unsere gemeinsame Zeit war vorbei.

 

Uh, es hat mich aufgewühlt, diese Beziehung zu beschreiben. Sie war wirklich sehr intensiv für mich. Eine letzte bleibt noch übrig und davon erzähle ich beim nächsten Mal.

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