Jetzt bin ich hier

Äußerlich steht mein Leben nach wie vor still. Aber innerlich ist alles in Bewegung, ausgelöst durch mein Schreiben hier. Und nun ist da noch ein Erlebnis, das ich noch nicht erwähnt habe, dabei war es extrem bedeutend für mich: Meine erste Begegnung mit meinem seelischen Ich – mein seelisches Erwachen. Davon möchte ich jetzt erzählen.
Diese Erfahrung ist nun schon fast 17 Jahre her. Damals lebte ich noch in Hannover und absolut alles an mir und meinem Leben war völlig anders als heute. Ich arbeitete selbstständig als Cutterin, als Kameraassistentin und als Medienpädagogin. Mein Leben gefiel mir – meine Jobs waren gut bezahlt, ich hatte viel Freizeit, ich reiste viel und hatte tolle Freunde. In meiner Erinnerung war mein Leben vor allem voll: Mein Terminkalender quoll über von Aktivitäten. Ich war ständig unterwegs, hatte immer Programm und traf soo viele Leute.
Aber dann, im März 2006, wurde alles anders. Ich hatte zufällig ein Buch entdeckt: „Wishcraft: Lebensträume und Berufsziele entdecken und verwirklichen“, von Barbara Sher. Eigentlich war ich ja nicht auf der Suche nach Veränderung, aber irgendwas an diesem Buch hatte mich angezogen. Vielleicht am meisten die Autorin selbst, weil sie so sehr für ihre Botschaft brannte: Sie behauptete, dass jeder Mensch sein Leben als absolut erfüllend und beglückend erfahren könnte, wenn er es nur perfekt passend auf sein einzigartiges Wesen zuschnitt. Weil man dazu erstmal wissen müsste, was die eigene Einzigartigkeit ausmacht, ging es in dem Buch vor allem darum, das zu klären. Es war also ein Arbeitsbuch, mit dem man seiner besonderen Natur auf den Grund kommen sollte.
All die Fragen darin faszinierten mich und ich wurde neugierig – was wohl in meinem Fall zum Vorschein kommen würde? Also verbrachte ich mehrere Wochen damit, alle Aufgaben so gewissenhaft ich konnte zu beantworten.
Das brachte mir einige interessante Erkenntnisse, aber vor allem wurde eine Tatsache deutlich: Mein aktuelles Leben war nicht mein Traumleben. Im Gegenteil: Je mehr ich mich mit meinen wirklichen Interessen beschäftigte, desto mehr wunderte ich mich, wie eigentlich all dieser Filmkram in mein Leben gekommen war – er bedeutete mir gar nichts. Während die Dinge, die mir wichtig waren, überhaupt nicht vorkamen. Das erschreckte mich, mit so einem Ergebnis hatte ich nicht gerechnet.
Da war vor allem eine Erinnerung, die mich tief berührt hatte. Sie ging zurück in meine Kindheit, als ich noch eine kleine Grundschülerin war. Ich erinnerte mich, wie ich oft nicht einschlafen konnte, weil ich voller Sorgen war: Atomraketen, Hunger, Armut, Tierquälerei, Umweltzerstörung, Kriege, Ungerechtigkeit – diese vielen Probleme in der Welt machten mich unendlich traurig und hoffnungslos. Ich verstand nicht, wie die Erwachsenen all dieses Leid zulassen konnten. Wie konnten sie überhaupt noch fröhlich sein?
Eines nachts wurde mein Kummer so erdrückend, dass ich einen Plan schmiedete. Mir war klar, dass Kinder in der Welt nichts zu sagen haben. Aber sobald ich erwachsen wäre, wollte ich selber die Dinge in die Hand nehmen, falls bis dahin tatsächlich noch niemand etwas unternommen hätte. Dann würde ich dafür sorgen, dass sich alle Menschen von der ganzen Welt an einem großen Ort versammeln. Dorthin würden sie alles mitbringen: alles Geld, alles Essen, alle Kleidung, alle Kühe, alle Hühner, alle Möbel, alle Autos, alle Fahrräder – einfach alles, was sie besaßen. Anschließend würden sich alle in einem Kreis aufstellen und ein paar Helfer würden diese vielen Dinge ganz gerecht unter den Menschen aufteilen. Sobald alles verteilt war, könnten alle wieder nachhause gehen – und endlich wäre Ruhe und Frieden.
Ich weiß noch, dass diese Entscheidung mich so sehr beruhigte, dass mich meine kindlichen Sorgen danach nie wieder plagten. Das Thema war durch – erst als Erwachsene bräuchte ich mich wieder damit zu beschäftigen.
Und das hatte ich bisher – ich war jetzt 32 – nicht getan. Sondern stattdessen Filme gemacht, die ich belanglos fand. Mein Plan von damals war heute natürlich vor allem niedlich. Aber es war fast so, als ob der Kummer nun wieder genauso da war, wie ich ihn als Kind empfunden hatte. Als hätte die Verdrängung in diesem Moment ihre Wirkung verloren, sie funktionierte nicht mehr. Kein Wunder, denn all diese Probleme hatten sich ja nur verschärft, kein einziges war behoben. Mir wurde klar, dass sich mein Leben in Zukunft mit ihrer Lösung beschäftigen sollte.
Genaueres wusste ich allerdings nicht und das frustrierte mich, je länger ich mit dem Buch arbeitete. Ich überlegte wie besessen, wie ich dazu beitragen könnte, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, aber immer stellte ich nur fest: Nein, das wäre ganz nett – aber ein Traumleben, wie Barbara Sher es beschreibt, wäre es nicht.
Irgendwann war ich richtig verzweifelt deswegen. Jetzt, da all diese Selbsterkenntnisse auf dem Tisch lagen, konnte ich nicht einfach weitermachen wie bisher. Aber etwas Neues fiel mir auch nicht ein, so sehr ich auch danach suchte. Der Zustand machte mir Angst und ich bereute schon, dass ich das Buch überhaupt gelesen hatte – hatte ich nicht damit mein Leben erst recht kaputt gemacht? Denn jetzt ging gar nichts mehr und ich stand mit völlig leeren Händen da.
Ich erinnere mich: Mit diesen düsteren Gedanken hockte ich auf meinem Küchensofa, als mir eine leise Idee kam. Könnte ich mir vielleicht selbst eine Frage im Stil dieses Buchs stellen? Eine, die noch tiefer ging? Ich schloss meine Augen und fragte mich ganz spontan: Was würde ich denn wählen, wenn ich auf der ganzen Welt der einzige Mensch wäre, der überhaupt etwas entscheiden könnte?
Und in diesem Moment passierte etwas mit mir. Es war, als ob ich plötzlich in eine andere Realität gebeamt wurde – anders kann ich es nicht beschreiben, denn es war einfach eine absolut surreale Erfahrung. Plötzlich fand ich mich in einer fremden Umgebung wieder. Dort sah ich mich gleichzeitig von außen, also wie ein Bild, das ich anschaute, während ich mich doch so fühlte, als ob ich wirklich dort wäre:
Ich stand auf einer Bühne, mit ein paar Helfern bei mir. Vor mir blickte ich in eine sehr große Menschenmenge. All diese Leute schauten mich an. Und genau in diesem Moment – ich wusste nicht, ob ich überhaupt etwas sagte oder nur da stand – veränderten sich ihre Gesichter: Während diese Menschen gerade eben noch verschlossen und bedrückt ausgesehen hatten, öffneten sich jetzt ihre Gesichter – es war, als ob all diese Menschen plötzlich erwachten. Als wäre ihnen etwas ganz Bedeutsames klargeworden. Durch mich. Ich hatte ihnen irgendetwas mitgeteilt und auf einmal wirkten sie erleichtert und glücklich, sie lachten und strahlten mich an.
Ich weiß nicht, was ich ihnen sagte. Aber das spielte auch keine Rolle. Das Entscheidende war das Gefühl, das ich in dieser Situation empfand: Ich wusste, dass ich hier gerade das erlebe, wozu ich in dieses Leben gekommen bin – das bin ich, dafür bin ich hier. Mein Herz wurde warm und weit, ich war voller Freude und alles hier war einfach absolut stimmig und richtig. Und doch war ich fast bestürzt, weil es so völlig anders und so viel größer war als all die Ideen, die ich seit Tagen in meinem Kopf hin und her gewälzt hatte. Niemals wäre ich auf das hier gekommen! Nie hätte ich es für möglich gehalten, eine solche Erfülltheit und Lebendigkeit zu finden.
Und das wars auch schon damit – einen Moment später saß ich wieder an meinem Küchentisch, in meiner altbekannten Welt. Mein Herz fing an zu rasen. Was war das denn??!! Oh Gott, jetzt werde ich verrückt. Sind das etwa Wahnvorstellungen? Größenwahnvorstellungen?
Aber dann stoppte ich mich selbst: Nein! Ich bin nicht verrückt. An dieser Vorstellung war überhaupt nichts verkehrt oder gestört. Es ging doch überhaupt nicht um Macht oder sonst irgendwelche kranken Motive. Nein, dieses Bild war einfach nur wunderschön – für alle Beteiligten.
Ich wollte nicht in Panik ausbrechen. Ich wollte diesen magischen Moment nicht als einen Fehler betrachten, sondern als ein Geschenk: Mein Rätsel war beantwortet worden, und zwar gründlichst. Und ich dachte: Ich verstehe zwar nicht, wo dieses Erlebnis plötzlich herkam, aber wenn es irgendeine Möglichkeit für mich gibt, dieses Bild wahr werden zu lassen, dann möchte ich alles tun, was in meiner Macht steht, um es zu verwirklichen.
Aber dann spürte ich, dass das nicht ganz stimmte. Nein – denn nun könnte ich gar nicht mehr damit leben, dass dieses Bild nur vielleicht wahr werden könnte. Wenn etwas in mir solche Visionen erzeugen konnte, die dann aber unerreichbar blieben – nein, so ein Leben wollte ich nicht. Ich wusste, dass ich mich jetzt, da ich diese Möglichkeit gesehen hatte, nie wieder für etwas anderes begeistern könnte. Nichts von dem, was ich mir sonst vorstellen konnte, bedeutete mir noch etwas.
Also entschied ich: Ich will das oder gar nichts. Ich will glauben, dass es möglich ist, so große Träume zu verwirklichen. Ich will diese Mareike werden – und sonst nichts.
Und dann spürte ich, dass ich meine Entscheidung getroffen hatte und dass sie galt: Ich spürte, dass das gesamte Universum sie registriert hatte. Aaaaaah… Jetzt war es gut.
Ich entspannte mich, denn ich wusste, dass ich nicht nur nichts tun brauchte, sondern gar nichts tun konnte, um diese Vision zu verwirklichen. Dazu hatte sie sich einfach viel zu groß angefühlt, übermenschlich groß. Aber ich war voller Vertrauen, dass ich genau aus der Quelle, die mir dieses Erlebnis beschert hatte, auch erfahren würde, wie ich dorthin kam.
Diese Quelle fühlte sich auch nicht weit entfernt an – das waren kein Gott, keine Engel oder irgendwelche Geistwesen, die mir eine Botschaft übermittelt hatten. Nein, sie kam direkt aus mir selbst. Das war ich – dieser Teil von mir war mir bisher bloß nicht bewusst gewesen und ihm zum ersten Mal zu begegnen war überhaupt das Bewegendste an dieser magischen Erfahrung gewesen.
Was dann passierte, möchte ich hier nur kurz zusammenfassen: Ich ließ meine Filmjobs auslaufen und machte die Prüfung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie. Aber dann, ein halbes Jahr nach meinem Erlebnis, stoppte plötzlich alles. Ich war 33 Jahre alt und alles, was bis dahin in meinem Leben entstanden war, löste sich innerhalb weniger Monate in Luft auf.
Der äußere Grund dafür war, dass ich krank wurde. Ich bekam von einem Tag auf den anderen sehr starke Schmerzen, die es mir unmöglich machten, überhaupt noch zu arbeiten. Auch für meine Hobbies hatte ich keine Kraft mehr. Ich wurde extrem empfindlich und konnte auch die Menschen in meinem Leben immer weniger ertragen. Bald wollte ich am liebsten nur noch alleine sein. Mich im Bett oder auf dem Sofa verkriechen mit möglichst keinerlei Außenreizen – kein Gespräch, kein Licht, keine Musik, kein Buch, keine Geräusche, sondern nur für mich allein, liegend in Totenstille und Dunkelheit – das war der einzige Zustand, den ich noch ertragen konnte. Dem Lärm der Stadt musste ich entfliehen und so landete ich irgendwann auf dem Land.
Anfangs war in mir nur Panik. Ich verstand nichts mehr. Wo war meine wunderschöne Vision geblieben? Das hier war doch das absolute Gegenteil davon? Ich ging zu dutzenden von Ärzten, Heilpraktikern und Heilern – nichts half. Aber obwohl meine Situation von außen betrachtet wirklich schrecklich war, wunderte etwas in mir sich nicht, dass kein Arzt etwas fand und niemand mir helfen konnte – weil ich insgeheim wusste, dass nichts verkehrt mit mir war. Dass all dies nicht im Gegensatz zu meinem Traum stand, sondern dass es der direkte Weg dorthin war.
Es war, als wäre mit meinem seelischen Erwachen auch in meinem Körper etwas erwacht: eine ungeduldig drängende Lebenskraft, die mich erfüllen wollte. Sie zwang mich, zu wachsen und mich auszudehnen. Wann immer ich in meinem Bewusstsein klein und unbedeutend blieb, spürte ich diese Selbstbegrenzung als unerträglichen Schmerz. Der zwang mich zunächst, meine Vorstellung von mir selbst zu erweitern. So sehr, dass diese Entfaltung eines Tages in meine Erleuchtungserfahrung mündete.
Aber auch damit endeten der Druck und die Schmerzen nicht, denn diese innere Kraft wollte weiter in mein wirkliches Leben strömen, in meine menschliche Realität. Und hier war ich mit noch viel mehr Begrenzungen konfrontiert, nämlich denen, die in der Welt um mich herum ganz selbstverständlich waren. Die Schmerzen forderten mich auf, Stück für Stück auch diese loszulassen.
Eine Raupe verpuppt sich irgendwann, um sich in einen Schmetterling zu verwandeln. Dazu wird sie bei lebendigem Leib komplett demontiert und „umgebaut“ in ein ganz neues Lebewesen. Falls sie Gefühle hat, muss sich das wie die reinste Folter anfühlen. Aber sie kann nicht entkommen, sie ist gefangen in ihrem Kokon. Der gibt sie erst dann wieder frei, wenn sie bereit ist zu fliegen.
Genau so empfand ich die Jahre, die meinem Erwachenserlebnis folgten. Einerseits fast unerträglich hart, aber dann auch immer wieder so erfüllend, wenn ein Stück mehr von mir, wie ich wirklich bin, zum Vorschein kam – immer wieder kam ich zweifelsfrei zu dem Schluss, dass ich direkt auf meinem Weg bin.
In meiner Vision von mir auf der Bühne ging es ja darum, dass ich etwas zu geben habe, das anderen weiterhilft. Damals wusste ich nicht, was das sein könnte. Ich konnte nicht einmal erkennen, ob ich überhaupt etwas gesagt hatte. Aber nach und nach ergab alles Sinn: Ich erkannte, wer ich als Mensch in Wahrheit bin – dass das so viel mehr und so viel kostbarer ist als ich es je für möglich gehalten hätte. Indem ich dieses Wissen mit der Welt teile, kann ich ihr zu dem verhelfen, was sie so dringend braucht: Selbstliebe.
Und mir wurde klar, dass es nicht darum ging, alle Menschen zu erreichen. Viele haben kein Bedürfnis nach seelischer Entfaltung und ihnen wollte ich mich auf keinen Fall aufdrängen, ich wollte niemanden bekehren. Stattdessen wollte ich mit meinem neuen Bewusstsein nur für diejenigen hier sein, die sich davon angesprochen fühlen.
Bisher hatte ich Hemmungen, von meiner inneren Vision zu erzählen – von mir auf der Bühne, vor so vielen Menschen. Weil diese Vorstellung so absurd groß ist im Vergleich zu dem zusammengeschrumpften Leben, in dem ich nun feststecke. Wie kann ich nach wie vor behaupten, dass ich dieses Potenzial für real halte, während mein Leben doch genau gegenteilig aussieht?
Dieser Widerspruch verunsicherte mich – mit so einem offensichtlichen Unsinn wollte ich niemanden behelligen. Aber dann wurde mir klar: Ich weiß doch, wie meine Realität entsteht – dass sie beim Bewusstsein beginnt. Mein Bewusstsein ist der Bauplan, der meine Realität bestimmt. Also muss zuerst ich davon überzeugt sein, dass ich diese Mareike aus meiner Vision bin, bevor sich diese Überzeugung in meiner Realität widerspiegeln kann.
Wenn ich das erst dann glauben will, wenn meine Welt entsprechend aussieht, kann ich ewig warten. Ich halte die Verwirklichung meines Traums irgendwo weit weg in der Zukunft – und nur ich kann sie in mein gegenwärtiges Leben hineinlassen. Aber wie bloß? Dem bin ich gerade auf den Grund gegangen…
Ich sehe mich hier auf der Erde, die mir so unerträglich erscheint. Für mich ist sie viel zu kalt und zu laut. Die hässliche Stadt und dann vor allem die Menschen, mit denen ich mich nur noch unwohl fühle. Sie sind nicht wirklich hier, sondern vertieft in ihre Smartphones rennen sie hektisch hin und her. In ihren Gesichtern sehe ich Leere und Dumpfheit. Sie haben keine Ahnung, wer sie wirklich sind und es interessiert sie auch nicht. Stattdessen sind sie gierig auf der Jagd nach dem nächsten Kick. Ich spüre ihre Energiespielchen, ihre unaufrichtige Art, mit der sie sich gegenseitig manipulieren.
Ich passe nicht hierher, mit diesen Menschen möchte ich nichts zu tun haben – wir sind einfach nicht kompatibel. Und doch sind sie überall. Oh nein, jetzt wälzt sich auch noch eine grölende Horde betrunkener Fußballfans ins Bild!
All dieses Treiben beobachte ich aus einem Versteck: Ich bin in einem engen, sehr hohen Turm. Dort ganz unten drin stehe ich hinter der verschlossenen Tür. Nach oben hin ist der Turm offen, so dass ich den Himmel sehen kann. Ich kann mich nicht entscheiden, welchen Ausgang ich nehmen soll: Die Tür öffnen und in die lärmende Menschenmasse hinaustreten – oder nach oben flüchten und den Planeten verlassen? Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Ich kann doch jetzt nicht abhauen – was ist mit meiner Vision? Aber da raus gehen? Ich finde die Welt da draußen unendlich abstoßend und schaurig, so dass mein Körper nur beim Gedanken daran in totalen Stress gerät. Nein, keine zehn Pferde…
Aber dann kommt mir eine Idee. Oben raus kann ich ja immer noch – aber ich könnte ja nur in meiner Vorstellung einmal probeweise in die Masse hinaus gehen. Es kann mir ja nicht wirklich was passieren. Ich kann mich ja nicht wirklich zu Tode ekeln. Also trete ich zur Tür hinaus, mitten hinein in diese lärmende Menge, die mich überhaupt nicht bemerkt. Ich stehe einen Moment gequält dort herum und fühle mich furchtbar unwohl.
Aber dann passiert etwas ganz Unerwartetes: Überall zwischen diesen Grobianen tauchen plötzlich ganz zarte, feine, zierliche Menschlein aus der Masse auf. Sie haben mich gesehen und huschen von allen Seiten auf mich zu: Sie hatten sich genauso versteckt vor dieser harschen Welt wie ich es getan hatte. Jetzt, wo sie mich sehen, trauen auch sie sich hervor und suchen sofort meine Nähe. Plötzlich sind wir sehr viele – beseelte, sensible, helle Wesen. Jetzt, da wir Gleichgesinnte gefunden haben, können wir bleiben und etwas ganz anderes anfangen als das, was bisher so auf der Erde getrieben wird.
Da wird mir klar, dass irgendwer den ersten Schritt in die Welt hinaus machen muss. Alle, die sich genauso versteckt halten wie ich, warten darauf, dass jemand hervortritt und vorangeht – jetzt, in dieser schrecklichen Zeit, in der alles so düster und verloren erscheint.
Das möchte ich sein. Das wollte ich immer sein.
Ich öffne jetzt die Tür und trete hinaus. Ich mache mich jetzt sichtbar. Warte, ich klettere auf eine Bühne, so dass du mich besser sehen kannst.
Jetzt bin ich hier.
Siehst du mich?
Kommentar schreiben
Robert (Sonntag, 29 Januar 2023 19:30)
es ist unglaublich wie mich deine Worte berühren.
Ich habe ähnliches als Kind erlebt, meine Seele hat meinen Körper verlassen und diesen aus weiter Entfernung gesehen.
Ich bin den weltlichen Religionen nicht wirklich zugetan, dennoch wurde mir dabei klar, das der Mensch nicht nur aus Materie besteht.
Das habe ich bis heute nicht vergessen.
Auf jeden Fall schaue ich regelmäßig in deinen Blog und freue mich aus Neues.
Lieben Gruß
Rob
Mareike (Sonntag, 29 Januar 2023 19:57)
Wie schön ist deine Nachricht, Rob! DANKE!
Claudia (Sonntag, 29 Januar 2023 21:43)
Liebe Mareike,
ja, i c h s e h e d i c h !
Dein Blog ist für mich so anregend! Bin schon auf den nächten Beitrag gespannt.
Herzliche Grüße von Claudia
Mareike (Sonntag, 29 Januar 2023 22:06)
Liebe Claudia! Wie schön, dass du da bist, ich winke dir zu!
Luisa (Montag, 30 Januar 2023 00:02)
Oh ein riesengroßes JA!
Danke für dein Hervortreten und Voranschreiten.
Mareike (Montag, 30 Januar 2023 08:24)
Aah – so gerne, liebe Luisa!
Hildegard (Montag, 30 Januar 2023 09:38)
Deine wunderbare Geschichte kommt mir auch vertraut vor! So kann Erwachen ----- bleiben! - Ich fühle mich als Schwester, zusammen sind wir stark! Darum lese ich gern den Blog von Dir!
Mareike (Montag, 30 Januar 2023 09:43)
Da ist ja noch jemand! Hallo, Hildegard, ich freue mich, dass du da bist!
Marina (Samstag, 25 Februar 2023 09:12)
Ich sehe dich�❤️
Mareike (Samstag, 25 Februar 2023 09:14)
Oh, wie schön! Danke, liebe Marina!
Julia (Mittwoch, 05 April 2023 14:49)
Liebe Mareike,
von Herzen danke für diese Zeilen. Mir kullern die Tränen und ich bin tief berührt. Ich bringe gerade auch mein ganzes Wesen und Sein zum Ausdruck und es kommt immer mehr. Und manchmal ist es einfach überwältigend.
So schön zu wissen, dass es Gleichgesinnte gibt.
Liebe Grüße aus Köln, Julia
Mareike (Mittwoch, 05 April 2023 14:53)
Liebe Julia, vielen Dank für deinen lieben Gruß! Ich freue mich sehr, dass auch du zu meiner Webseite und meinem Blog gefunden hast! Ja, oft ist es unglaublich intensiv, wenn wir unser wirkliches Selbst auf die Welt bringen. Trotzdem machen wir einfach weiter damit. Herzliche Grüße zu dir!
Roswitha (Freitag, 12 Mai 2023 15:11)
Liebe Mareike,
vielen herzlichen Dank das Du deine Gechichte hier mit uns teilst. Ich war tief berührt davon und konnte mich in jeder Zeile von dir wiederfinden, so als wäre ich ein Double von dir! Es begann bei mir vor 3 Jahren und der Prozess scheint jetzt so langsam zum Abschluss zu kommen. Kein Stein ist mehr auf dem anderen geblieben und es war eine schlimme und chaotische Zeit bis zum Jetzt und Hier! Das Schönste ist, dass ich auf der langen Reise zu mir selbst gefunden habe und zur Selbstliebe. Mein "früheres" Leben war nicht schlecht, aber fremdgesteuert und ich in einem Hamsterrad sitzend. Nachdem der "Schleudersitz" mich rauskatapultiert hatte, war ich zu nichts mehr fähig und alles erschien so sinnlos. Ich stellte mein ganzes Leben in Frage und war ein wandelndes Fragezeichen, dachte ich wäre nicht mehr normal, ja evnetuell verrückt geworden! Körperliche Beschwerden gesellten sich hinzu und ich dachte ernsthaft, ich würde diesen ganzen Prozess letztendlich nicht überstehen! Niemand zeigte Verständnis für mich und alle wendeten sich mit der Zeit von mir ab, weil ich nicht mehr die war, die sie kannten und nicht mehr so funktionierte, wie sie das gewohnt waren! Auch in der Familie erntete ich nur Kopfschütteln und Achselzucken, sowie mitleidige Blicke. Ich zog mich immer mehr zurück und flüchtete in die Einsamkeit des Waldes. Dort beruhigte ich mich komischerweise immer sehr schnell und kehrte nach vielen Stunden mit Ruhe im Herzen und Säcken voller aufgesammeltem Müll, der überall herumlag, zurück. Oft setzte ich mich völlig erschöpft von den Lebensumständen unter einen uralten Baum und schlief dort ein. Ich konnte richtig spüren, wie sich die Kraft des Baumes auf meinen Körper übertrug und das fühlte sich wunderbar an und ich empfand eine unendliche Liebe und Geborgenheit und das dies alles von einer "höheren Macht" ausgehen musste. Bei meinen Streifzügen durch die Natur entdeckte ich eine grenzenlose Verbundenheit zur Mutter Erde und begann mich für Pflanzenheilkunde zu interessieren und alles darüber zu lesen was ich finden konnte.
So eignete ich mir ein großes Wissen an, dass ich auch gerne an andere weitergebe. Ich erkannte dann bald, dass dies meine wahre Bestimmung und Berufung ist und gehe voll und ganz darin auf. Ich treffe oft im Wald interessierte Menschen die mich fragen, was ich denn da sammle und da gebe ich gerne Auskunft und freue mich sehr, mein Wissen mit anderen zu teilen.
Ich möchte mir jetzt einen eigenen Garten zulegen und Selbstversorger (Obst- und Gemüseanbau) werden. Ich habe heute neue, andere Freunde gefunden die auf der gleichen Wellenlänge wie ich schwingen und ein komplett neues Leben begonnen, das auf meine jetzigen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ich empfinde sehr große Dankbarkeit das ich "erwacht" bin und verbeuge mich in Erfurcht und Demut vor dem Schöpfer, der mich, wenn auch erst in höherem Lebensalter auf diesen Weg geführt hat. Danke!
Mareike (Sonntag, 14 Mai 2023 08:27)
Liebe Roswitha,
ich freue mich, dass du dich in meinem Artikel so sehr selbst wiedergefunden hast! Und ich kann sooo gut nachvollziehen, dass du dich in der Natur so wohlfühlst und dass sie dich beruhigt und heilt. Und bitte bedank dich nicht bei einem Schöpfer außerhalb von dir, sondern bei dir selbst – ja wirklich, DU bist das! Alles Gute und ganz liebe Grüße zu dir!