Scham in der Sexualität

Frei von Angst und Scham lieben

Scham und Sexualität

Als ich meinen Blog im Herbst gestartet habe, war das eigentlich nicht so sehr anders als mein privates Tagebuchschreiben. Ich wusste, dass kaum noch jemand auf meiner Webseite landet und von denen: Wer klickt heutzutage noch auf „Blog“? Aber mir war das ganz recht so, weil ein Teil von mir sich eigentlich weiterhin nur verstecken wollte.

 

Aber es fühlte sich auch erleichternd an, mich hier auszudrücken und meine einzigartige Sicht der Welt nicht mehr nur für mich zu behalten. Immer neue Themen drängten in mein Bewusstsein und mein Monster Boris sorgte dafür, dass ich sie auch tatsächlich in meinem Blog sichtbar machte.

 

Dass ich im Detail mein gesamtes Liebesleben hier ausbreiten würde – damit hatte ich nicht gerechnet. Und wenn ich das geahnt hätte, hätte ich meinen Blog garantiert erst gar nicht gestartet. Aber es drängte sich genauso auf wie all die anderen Themen zuvor. Genauso kraftvoll und unausweichlich. Aber nun mit einem massiven Widerstand, den diese Vorstellung auslöste – Neeeeeiiiiin! Nicht das!!!

 

Das war ein schrecklicher Zustand, aber wie immer konnte ich auch diese innere Zerrissenheit nur zulassen. Und am Ende war doch klar: Es gibt nur eins, was sich noch schlimmer anfühlt, als davon zu erzählen: es nicht zu erzählen. Das hätte sich verkehrt angefühlt. Obwohl mir nicht klar war, worauf ich damit eigentlich hinaus wollte, spürte ich, dass es nur so richtig ist. Nur davon zu erzählen fühlte sich richtig an.

 

Das sind also sehr intensive Zustände, die ich gerade durchlebe und deshalb möchte ich nun über das stärkste Gefühl schreiben, das ich dabei empfinde: Scham.

 

Und vielleicht wunderst du dich, weil es in meinen intimen Beiträgen doch überhaupt nichts gibt, wofür ich mich zu schämen bräuchte? Aber das ist genau der Punkt: Jetzt findest du darin keine Scham mehr, weil ich sie erst überwinden musste, bevor ich etwas so Persönliches überhaupt veröffentlichen konnte. Aber bis es soweit war, hat sie mich brutal in die Mangel genommen. Und erst jetzt, da sie hinter mir liegt, spüre ich, wie verkehrt und überflüssig dieses Gefühl war. Und wie es doch das menschliche Bewusstsein fest im Griff hat, wenn es um das Thema Sexualität geht. Wenn ich in die Welt hineinspüre, bezweifele ich, dass es auch nur einen einzigen Menschen gibt, der dabei nicht zumindest ein leises Gefühl von Scham empfindet. Und mehr oder weniger der gesamte Rest möchte beim Gedanken daran am liebsten gleich im Erdboden versinken und ganz, ganz schnell das Thema wechseln.  

 

Bevor ich meine Sexualität so sehr genießen konnte, wie ich es heute kann, musste ich mich durch Tonnen von Scham hindurchfühlen. Und erst jetzt wird mir bewusst, dass es das ist, was in meinen „Potenzialreisen“ passierte. Wenn ich so ein Lieblingspotenzial aufspürte, bei dem meine gesamte Realität jubilierte – „Ja, das wäre mit Abstand das Allerallerschönste! Das soll wahr werden!“ – dann fand ich es immer erst unter einer dicken Schicht von Schamgefühlen. Die spürte ich in Form meiner körperlichen Schmerzen. Ich fühlte mich wie in einem Schmerzpanzer und erst dann, wenn ich mir erlaubte, wirklich schamlos zu wählen – erst dann löste er sich auf.

 

Unser wirkliches Ich, unsere Seele, kennt keine Scham. Die existiert nur in unserem menschlichen Sein. Wenn du wirklich du selbst bist, dann gibt es keine Scham. Sie interessiert dich nicht. Dich interessiert dann nur noch, was du wirklich willst und es wird dir wichtig sein, das absolut klar und präzise zu formulieren. Denn jetzt, wo du es dir bewusst gemacht hast, hast du nicht mehr die geringste Lust, etwas anderes und für dich Schlechteres von deiner Realität geliefert zu bekommen. Dabei geht es nicht vorrangig darum, das jemand anderem so klar und deutlich zu sagen, sondern es geht darum, es dir selbst bewusst zu machen – dir selbst diesen Wunsch einzugestehen, ihn anzuerkennen. Denn erst dann wird auch deine Energie ihn als Auftrag von dir registrieren. 

 

Scham verhindert das eigentlich Kostbare an unserer Sexualität. Sie macht es uns unmöglich, das eigentlich Heilsame und Heilige daran zu erfahren. Weil sie dafür sorgt, dass wir unsere Gedanken an Sexualität von vorn herein verurteilen. Und wenn wir uns selbst nicht erlauben, uns eine schamlose Sexualität vorzustellen, dann werden wir sie auch niemals erleben können. Deine Realität kann dir einfach nichts erschaffen, was du für unmöglich hältst.

 

Ich möchte dir jetzt ein Beispiel davon geben, wie meine schamfreien Gedanken über meine Sexualität aussehen können. In der Hoffnung, dass du erkennst, wie überflüssig deine eigenen Schamgefühle sind. Wie künstlich und verkehrt sie von vorn herein waren. Dass es wirklich nie etwas gab, wofür du dich schämen müsstest. Erst die Scham selbst macht die Sexualität zu etwas Beschämenden. Weil sie unsere natürliche Sexualität unterdrückt und wenn sie dann doch mal zum Vorschein kommt, wirkt sie nur noch wie eine notgedrungene Entladung. Von ihrer eigentlichen, magischen Schönheit ist dann nichts mehr zu erkennen, sie zeigt sich dann nur noch verkrüppelt und entstellt und kümmerlich.

 

Meine Sexualität beginnt also immer in meinem Bewusstsein. Wenn ich sie dann tatsächlich erlebe, erkenne ich jedes Mal: „Wow! Genau das hatte ich mir gewünscht! Aber ich hatte ja keinen Schimmer, dass es sich in echt wirklich soo wundervoll anfühlen könnte!“

 

Um mich besser hineinversetzen zu können, stelle ich mir vor, ich lerne jemand Neues kennen. Ich begegne also einem unbekannten Mann, der irgendwas in mir berührt. Ich stelle das erstmal nur fest und unternehme nichts weiter. Und dann – und wirklich erst dann – wenn meine Gedanken immer wieder zu ihm wandern, erlaube ich mir, sie frei fließen zu lassen. Sie wollen zu ihm und zu einer bestimmten Erfahrung oder Begegnung mit ihm, aber ich kann sie nicht willentlich gestalten. Ich kann nur beobachten, welche Vorstellungen in mir auftauchen und wie sie sich anfühlen.

 

Sobald so ein Gedanke anstrengend wird, lasse ich ihn fallen. Und die meisten Gedanken sind anstrengend. So wie in meinem Meer von Tischtennisbällen taucht nur ganz selten, nur hier und da mal ein gelber Tennisball in meinem Bewusstsein auf: ein Gedanke, der sich völlig anders und neu anfühlt – ganz anders als alle bisherigen Gedanken. Einfach nur richtig und stimmig. Mein Herz wird dann weich und weit und ich weiß zweifelsfrei: In diese Richtung möchte ich weiter nachspüren. Also tue ich das.

 

Und so taste ich mich Stück für Stück vor zu einer Vorstellung, von der ich zweifelsfrei weiß: Ich wünsche nichts sehnlicher, als dass diese Vorstellung wahr wird. Das ist es, was ich unendlich gerne in meiner Realität erfahren möchte. Und in diesem Moment ist mir nicht mehr wichtig, ob dieser bestimmte Mann überhaupt daran beteiligt ist. Vielleicht kam er auch einfach nur deshalb in mein Leben, um dieses Potenzial in mir zum Vorschein zu bringen? So oder so: Ich habe es gewählt und weiß, dass mein Job damit erledigt ist. Meine Energie hat meine Wahl registriert und ich vertraue ihr bedingungslos, dass sie sich wieder irgendeine verblüffende Konstellation einfallen lässt, um mir diese Erfahrung zu bescheren. Das ganze Thema fällt nun von mir ab und ich kriege sofort Lust, mich erstmal wieder mit etwas ganz anderem zu beschäftigen.

 

Das Ergebnis einer solchen Potenzialreise könnte zum Beispiel so klingen: Dieser Mann berührt mich so sehr. Ich spüre etwas in seinem Wesen, das mich so sehr zu ihm hinzieht. Es ist sein besonderes Wesen, das mich so neugierig macht. Ich möchte es richtig sehen können. Aber die Welt ist zu laut und kalt, um es überhaupt klar erkennen zu können. Ich möchte allein mit ihm sein, an einem ungestörten Ort, in meinem warmen Bett und dort möchte ich diesem Wesen ganz nah kommen. Ich möchte meine Augen schließen können, weil ich nur so wirklich alles von ihm wahrnehmen kann. Ich spüre, dass dieses andere Wesen wunderschön ist, aber es ist so tief in seinem Körper verborgen, weil es so zart ist. Dieses zarte Wesen möchte ich so, so gerne sehen und dafür möchte ich seinen Körper so behutsam und zart berühren wie ich nur kann, so dass es von ganz allein zum Vorschein kommt. Und ich spüre auch seine Liebe und Neugier auf mich und so möchte auch ich mich von ihm so zart berühren lassen, dass auch ich mich traue, alles von mir, wie ich wirklich bin, zum Vorschein zu bringen. Seine Berührungen sollen so feinfühlig sein, dass ich gar nicht mehr anders kann, als mich zu zeigen, weil es sich so absolut richtig und sicher anfühlt, mit diesem Menschen so nah zusammen zu sein. Aaah... das wähle ich!

 

Siehst du jetzt, wie verkehrt es die ganze Zeit war, sich zu schämen? Wie die Scham rund um unsere Sexualität etwas im Keim erstickt hat, das eigentlich der Himmel auf Erden für ein verkörpertes Seelenwesen sein sollte? Mit meinem Beispiel möchte ich es dir leichter machen, deine eigenen Schamgefühle hinter dir zu lassen und dich für das zu öffnen, was deine Sexualität eigentlich an Wundervollem für dich bereithält.

 

 

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