Dir selbst begegnen

Den Widerstand aufgeben

sich selbst begegnen

In meinem Blogbeitrag Verirrte Welt hatte ich über Selbstliebe gesprochen: Ich meine, dass sie das ist, was hier auf der Erde am meisten fehlt und darauf möchte ich jetzt noch ein bisschen genauer eingehen.

 

In unserem Inneren gibt es Selbstliebe im Überfluss. Bloß leider wissen das die wenigsten Menschen, so dass sie stattdessen im Außen nach ihrem Glück suchen. Aber jemand, der nur ein einziges Mal in Berührung mit seinem wirklichen Ich gekommen ist, wird nie wieder glauben, dass es außerhalb von ihm etwas Beglückenderes geben könnte als sein innerstes Sein. Denn dieses Ich ist Selbstliebe. Es ist das, wonach wir uns unbewusst immer gesehnt haben. Am liebsten würde ich nur einmal mit dem Finger schnippen müssen, um jedem einzelnen Menschen einen Eindruck von diesem Zustand zu vermitteln. Leider geht das nicht und in Wahrheit ist es nicht leicht, seinem wirklichen Ich zu begegnen. Aber warum ist es so schwer? Wie könnte es leichter gehen? Darüber möchte ich heute schreiben.

 

Da ist ein bestimmtes Bild in mir, das ich sehe, wenn es Menschen nicht gelingt, ihr echtes Ich, ihre Seele oder auch Erleuchtung zu erreichen. Und vielleicht wunderst du dich, warum ich diese Wörter einfach so in einer Reihe aufzähle? Weil es eigentlich nicht so wichtig ist, sie zu unterscheiden. Sie stehen ja sowieso für etwas, das man mit einem Wort gar nicht greifen kann. Aber diese Begriffe verbinden wir immerhin mit etwas, das in die richtige Richtung geht: mit unserem geistigen, unsterblichen Sein, das so viel mehr ist als unser Menschsein mit seinem begrenzten Verstand.  

 

Aber zurück zu meinem inneren Bild: Ich sehe zwei Arten von Bewusstsein in uns, die gar nicht unterschiedlicher sein könnten: Zum einen ist da der Mensch, der fest davon überzeugt ist, nicht mehr als ein winziger, unbedeutender Punkt im endlosen Universum zu sein. Das ist das, was sein Verstand ihn glauben lässt und mit dem fühlt er sich identisch. Und dann ist da auf der anderen Seite das grenzenlose Bewusstsein der Seele: Sie weiß, dass das gesamte Universum nur ein winziger Punkt in ihr ist. Und wenn jetzt die Seele im Menschen erwacht, möchte sie genau dieses Bewusstsein in ihr Dasein als Mensch hineinbringen. Aber den kleinen Menschen interessiert das überhaupt nicht. Wenn er wüsste, was die Seele mit ihm vorhat, würde er sich nur wundern: Was soll ich mit einem Universum? Ich hab doch alles, was ich brauche. Mein Leben ist okay, ich komme gut über die Runden – was will ich mehr?

 

Und an diesem Punkt beginnt sein Widerstand: Der Mensch will nicht, dass sein Leben größer wird, weil er die Kontrolle darüber behalten will. Er hat sich alles so mühsam aufgebaut, sich eine Identität erschaffen und ist froh, wenn endlich alles einigermaßen läuft. Nur Veränderungen, die er selbst bewirken und kontrollieren kann, würde er zulassen. Aber was die Seele dagegen mit ihm vorhat, ist für ihn völlig undenkbar: Es ist undefinierbar und riesig und unkontrollierbar. Es bringt seine ganze schöne Ordnung durcheinander – das ist es, was er beim Erwachen der Seele wahrnimmt. Also blockt er es ab, indem er sich verkrampft und verschließt. Das passiert erst im Verstand, aber früher oder später zeigt sich diese Erstarrung auch im Körper. Trotzdem wird die Seele erwachen und sich nicht aufhalten lassen. Einfach deshalb, weil ihre Zeit dafür gekommen ist. Unser menschlicher Anteil kann nichts dagegen tun. Es gibt nur eins, was er beeinflussen kann: Wie sehr er dieser Veränderung Widerstand entgegensetzt. Viel Widerstand macht es schwer und schmerzhaft. Den Weg frei zu machen, macht es so viel leichter, denn dadurch kann dieser Verwandlungsprozess ganz natürlich geschehen. Wenn die Seele ungebremst, auf ihre natürliche Art, in den Menschen hineinströmt, dann ist das immer sanft und fließend und weich und warm. Es ist ein inneres Bad in Selbstliebe. So viel davon, dass der Mensch überläuft und in die Welt hinaus strahlt.  

 

Die Kontrolle, mit der der Verstand das Leben schön in Ordnung halten will, hat er sich in Wahrheit von vorn herein nur eingebildet. Es ist wie ein großes Spiel, das wir Menschen unbewusst spielen, denn nicht dein Verstand erschafft dein Leben. Sondern du, auf der höchsten Ebene deines Seins, als dein seelisches Ich, hast es erschaffen. Der Mensch ist nur da, um diese Schöpfung zu erfahren. Es ist nicht seine Aufgabe, sie zu bewirken oder zu kontrollieren. Wenn die Seele erwacht, muss der menschliche Anteil das einsehen: Früher oder später muss er den Widerstand aufgeben und zulassen, was nun mal geschehen wird. Aber bis der Mensch dazu bereit ist… uuuh, das kann dauern. Er kann wirklich extrem stur sein und schlimmstenfalls wird er erst dann aufgeben, wenn er einfach überhaupt keine Kraft mehr hat, um sich noch länger gegen das Neue zu wehren. Wenn er endgültig keine Energie mehr hat zu kämpfen. Ich selbst bin da nicht nur keine Ausnahme, sondern eher ein Beispiel für den hartnäckigsten Widerstand, den ein Mensch überhaupt aufbringen kann! Aber das ist in Ordnung, ich bin mir nicht böse, denn ich bin ja nun mal ein Mensch. Aber vielleicht hilft es anderen, von meinen Erfahrungen zu lernen, so dass es für sie leichter wird. Indem sie von mir hören, dass es wirklich nie einen Grund dafür gab, vor irgendwas Angst zu haben.

 

Ich möchte dir noch genauer beschreiben, wie ich das Erwachen zum seelischen Sein wahrnehme: Da ist also die Seele und sie ist immer da. Ohne sie gäbe es von vorn herein kein menschliches Leben. Stell dir vor, dass sie bei deiner Geburt wie ein kleines Licht in deinem Inneren ist, mitten in deinem Bauch. Dein Leben fängt an und du gehst nach und nach durch deine Erfahrungen. Deine Seele lässt dich machen, sie hält sich noch ganz im Hintergrund. Bis sie weiß, dass die Zeit gekommen ist, um ganz bei dir zu sein. Um dich zu erfüllen und all das, was sie durch deine Erfahrungen über sich selbst gelernt hat, in dein Leben zu bringen. Und ab diesem Moment fängt sie an, in dir zu wachsen und sich auszudehnen. Denn sie möchte wirklich ganz bei dir sein, dich ganz erfüllen. Aber sobald sie größer wird, wird es eng in dir, denn noch füllt dich deine menschliche Identität aus: Der Mensch, der glaubt, ganz winzig und unbedeutend zu sein und der eins ist mit seinem begrenzten Verstand. Dieses Bewusstsein muss jetzt weichen, damit stattdessen dein seelisches Bewusstsein Platz in dir findet. Und während das von innen wächst, wird alles, was dich bisher ausgemacht hat – all deine Überzeugungen und Glaubensmuster – an die Oberfläche gedrängt: direkt in dein Bewusstsein. Dort musst du es dir anschauen und loslassen. Denn dafür bleibt kein Platz mehr in dir.

 

Und genau an diesem Punkt geht der heftigste Widerstand los, denn hier kommen alle möglichen Gefühle und Ängste zum Vorschein, die dein Verstand so gründlich verdrängt hatte. Und auch jetzt will er von ihnen nichts wissen, denn sie passen einfach nicht in sein rationales Weltbild. Deiner Seele ist das aber ganz egal, weil sie ja weiß, dass es überhaupt keine Gefahr gibt: Es ist doch nur sie, deine wunderschöne Seele, die mit ihrem Kommen all deine ungeliebten Seiten an die Oberfläche spült – für sie ist das alles ganz undramatisch, sie möchte dir sagen: Mein geliebter kleiner Mensch, schau dir das alles an, nichts daran ist verkehrt. Mach auch du deinen Frieden damit und lass es gehen. So dass endlich Platz wird für etwas so viel Erfüllenderes, nämlich für mich!

 

Was kannst du also machen, um diese Begegnung mit deiner Seele zu erleichtern? Wie könnt ihr weicher und harmonischer zusammenfließen? Eigentlich ist es ganz einfach: Gib auf und gib dich allem hin, was in dir auftaucht. Hör auf, dagegen anzukämpfen und es zu unterdrücken. Hör auf, stur weiter zu funktionieren und dich zusammenzureißen. Lass alles zu, auch die unangenehmsten Gefühle, ganz egal was sich zeigt: Traurigkeit, Wut, Enttäuschung, Scham, Schuld, Angst, Hass, Frustration, Verzweiflung, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Depression. Sogar Dumpfheit, Leere oder Nichts und auch das, was du gar nicht benennen kannst – es gibt keine Ausnahme: Lass zu, was auch immer in deinem Bewusstsein auftaucht. Denn wenn du still wirst und deine Aufmerksamkeit nach innen richtest und diesen Gefühlen eine Zeit lang erlaubst, einfach nur da zu sein und zu fließen, dann wirst du eine magische Verwandlung erleben: An einem bestimmten Punkt wirst du plötzlich begreifen, dass all diese Gefühle gar keine Fehler, sondern absolut berechtigt sind. Das wird dir schlagartig so deutlich klar werden, dass du sogar richtig entsetzt sein wirst, dass du so hart zu dir selbst warst und all diesen schreienden Kummer in dir geleugnet und bekämpft hast. Und dann wird dir das Herz überquellen vor Mitgefühl und Liebe für dich selbst. Und genau in diesem Moment bist du schon wieder ein Stückchen mehr mit deinem seelischen Bewusstsein verschmolzen.

   

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Frank Stuck (Sonntag, 18 Juni 2023 01:57)

    An einem bestimmten Punkt wirst du plötzlich begreifen, dass all diese Gefühle gar keine Fehler, sondern absolut berechtigt sind. Das wird dir schlagartig so deutlich klar werden, dass du sogar richtig entsetzt sein wirst, dass du so hart zu dir selbst warst und diesen schreienden Kummer in dir geleugnet und bekämpft hast. Und dann wird dir das Herz überquellen vor Mitgefühl und Liebe für dich selbst. Und genau in diesem Moment bist du schon wieder ein Stückchen mehr mit deinem seelischen Bewusstsein verschmolzen.
    DANKE!

  • #2

    Mareike (Sonntag, 18 Juni 2023 07:42)

    Lieber Frank, ich freue mich, dass diese Stelle dich so sehr berührt hat! Danke für dein Feedback und alles Liebe!

  • #3

    Alexandra (Sonntag, 09 Juli 2023 17:24)

    Liebe Mareike,

    von Herzen danke, deine Worte sind so berührend und heilsam.

  • #4

    Mareike (Sonntag, 09 Juli 2023 17:27)

    Liebe Alexandra,
    vielen Dank für deine Rückmeldung - und falls das ein Herz am Ende war: Leider werden die hier nur als ein verkrüppeltes Zeichen angezeigt, ich habs gelöscht - danke trotzdem und alles Liebe dir!

  • #5

    Björn (Freitag, 14 Juli 2023 15:28)

    Das ist der Wahnsinn liebe Mareike, denn genau das passiert gerade in mir und ich stecke in einer schweren Depression! Nächste Station vermutlich Tagesklinik ab Montag! Ich wehre mich seit Tagen und Wochen mit Alles was ich habe gegen diese Traurigkeit, Angst und Freudlosigkeit! Dunkelste Gedanken tauchen auf und überfordern mich komplett! Zulassen und Durchlaufen lassen und dann kommt der Punkt der Wende - das ist meine Hoffnung, aber ich flüchte noch die meiste Zeit zu Freunden, zu Therapeuten, zur Frau! Es ist schwer zu ertragen- könnte dazu auch ganze Blogeinträge schreiben! Ich schreibe gerne!
    Wie lange wird es wohl dauern wenn ich den Widerstand endlich aufgebe?
    Und wie lange, wenn ich es nicht tue?

  • #6

    Mareike (Freitag, 14 Juli 2023 15:37)

    Lieber Björn,
    wie schön, dass mein Text dich so berührt! Ich habe mal von einem interessanten Experiment gelesen: Jedes Gefühl, das nicht gestoppt wird, sondern frei fließen darf, löst sich nach durchschnittlich 90 Sekunden von allein in Luft auf. So erlebe ich es auch und wenn es länger dauert, dann liegt es nur daran, dass ich es eben doch noch nicht hundertprozentig zulasse. Aber wenn du das ausprobieren möchtest und offen dafür bist, dann wirst du bestimmt ganz bald erleben, wie es sich anfühlt, wirklich zu fühlen und wie gut es tut, wenn so ein uraltes Gefühl endlich aus dir verschwindet und der freie Platz von dir selbst aufgefüllt wird. Bitte nimm dir Zeit dafür, es ist so magisch! Alles Liebe und Gute dir!